Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sonst kommt dich der Jäger holen

Sonst kommt dich der Jäger holen

Titel: Sonst kommt dich der Jäger holen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
Vom Netzwerk:
blau, sie klein, ich groß. Die einzige Gemeinsamkeit, die wir normalerweise teilten, war unsere Singelei. Bei ihr unglücklich, bei mir glücklich, auch wenn sie mir das nie glauben wollte. Daran war zweifellos ihr Beruf schuld, mit Psychologen hält man es beim besten Willen nicht aus. Da bleibt keine grüne Wiese grün. Vielleicht ist sie nämlich blau. Man will es nur nicht wahrhaben. Und wie so oft drehte sich unser Gespräch auch diesmal um Andreas Lieblingsthema, nämlich das, was hinter dem Sichtbaren lag – die Wahrheit, wie sie es nannte, und die nur sie erkennen konnte, was keinesfalls bedeutete, dass sie sich irrte.
    »Du suchst zwanghaft nach einem Grund, Felix nahe sein zu können, und deshalb bildest du dir ein, verfolgt zu werden, das ist ganz klassisch und gehört zu deinem posttraumatischen Belastungssyndrom.«
    »Aber es hat mich wirklich ein Russe angesprochen an der Eisdiele! Ich sehe doch keine Gespenster.«
    »Natürlich nicht! Aber bestimmt hat der Mann das nett gemeint. Flipper hat ihm gefallen, oder du hast ihm gefallen, und er wollte dir ein Kompliment machen und hat deshalb etwas über den Hund gesagt.«
    »Aber doch nicht so was! Das sagt man etwas wie: ›Ach, ist das ein hübscher Kerl‹, oder: ›Ist das Ihrer‹, oder – ganz platt: ›Was muss ich tun, damit Sie mich auch mal kraulen?‹«
    Andrea schmunzelte, wurde schnell wieder ernst. »Vielleicht hat er früher mal selbst einen Hund gehabt, der wurde vergiftet, und das wollte er dir ersparen.«
    Fassungslos starrte ich sie an. »Er hat gesagt, dass ein Hund schnell ausblutet, ich glaube nicht, dass dies der übliche Verlauf einer Vergiftung ist.«
    »Dann hat er eben an das Unfallrisiko gedacht«, war Andrea nicht zur Vernunft zu bringen. »Die Eisdiele befindet sich an der Lindwurmstraße. Da fließt der Verkehr vierspurig, und es geschehen bestimmt häufig Unfälle, auch mit Hunden, die rennen mal schnell über die Straße – und schon ist es passiert.«
    Vor meinem geistigen Auge sah ich die Eisdiele vor mir. Auszuschließen war diese Vermutung nicht.
    »Und außerdem musst du den Kontext berücksichtigen«, Andrea erkannte meine Unsicherheit und nutzte sie gnadenlos aus.
    »Dass du dich, Verzeihung, vielleicht ein wenig nach Felix gesehnt hast. Dass du – unbewusst – um seine Aufmerksamkeit gebuhlt hast. Du hattest an diesem Abend ja eine Konkurrentin aus dem Feld zu schlagen, seine kleine Tochter, und …«
    »Ich konkurriere doch nicht mit einer Dreijährigen!«
    »Nicht bewusst, Franza. So etwas geschieht ohne unsere Absicht. Glaubst du nicht, es wäre möglich, dass du dir vielleicht gewünscht hättest, Felix möge dir mehr Aufmerksamkeit widmen als seiner Tochter, und durch die Dramatisierung des Ereignisses hofftest du dies – wie gesagt unbewusst – zu erreichen?«
    Hitze stieg mir ins Gesicht. Ich nestelte an meinem Armband herum. Flipper beobachtete mich neugierig. Ich hätte geschworen, wenn er gekonnt hätte: Er hätte ein Fachgespräch von Kollege zu Kollegin mit Andrea geführt. Denn genau das war der Grund gewesen, warum ich das Eis kaufen wollte. Klar hatte ich mir auch ein bisschen gewünscht, Felix möge befürchten, ich käme nicht zurück.
    »Ich schätze, ich bestelle mir eine eigene Maß«, stöhnte ich. »Sonst glaub ich den Schmarrn noch, den du mir da einsäuselst.«
    »Dann bleiben wir lieber bei einer zusammen, weil was glaubst du, was dir alles logisch erscheint, wenn du eine Maß Mönchsbier intus hast«, grinste Andrea.

44
    »Servus, Felix!«, rief Johannes. »Ich habe alle Reisekostenbelege von Jensen. Hab eine Exceltabelle gemacht und …«
    »Super, danke«, erwiderte Felix, während er Tom Stiefel und Christian Wagner musterte, die soeben aus dem Fahrstuhl traten. Beim ersten Blick auf die Verdeckten wusste Felix, dass sie es wussten. Die hatten ihre Ohren und Augen überall. Er hätte nicht anrufen dürfen. Es war genauso gekommen, wie er es befürchtet hatte. Am liebsten wäre er einfach gegangen, weit weg, raus aus dem Gebäude, über die B 471 und freies Feld, hinein in irgendeinen Wald, schön war der Herbst und so klar die Luft, man bekam viel zu wenig mit von der Natur. Eine halbe Stunde dauerte es, bis er fällig war, zuerst wurde der Stand der Ermittlungen lang und breit besprochen. Dann wendeten sie sich dem Stand des Hauptkommissars Tixel zu. Sie waren fast nett. Sie zogen ihn nicht vor seiner Truppe aus, sondern schickten die anderen raus. So waren sie letztlich zu

Weitere Kostenlose Bücher