Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sophia oder Krieg auf See

Sophia oder Krieg auf See

Titel: Sophia oder Krieg auf See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Braband
Vom Netzwerk:
Käfigstäbe manövriert. Corin schrak zusammen und ließ sich gegen die hinteren Gitterstangen fallen.
    Der Hüne schob die blanke Dolchklinge in den Käfig, nickte Corin zu und legte die Waffe dann direkt zu Corins Füssen auf den Holzboden. »Ich kann es nicht mehr ändern«, dröhnte Claas, »es tut mir leid«, und legte die Scheide neben die Waffe in den Käfig.
    Der Kapitän drehte sich um, zu seinen Leuten, und sein mächtiger Rücken lehnte sich gegen die Metallstäbe. Er grinste versöhnlich und nicht einmal seine eigenen Männer konnten das winzige Zucken in seinen Augen sehen, als Claas nach seiner Lebensversicherung sah.
    Frederick, der narbengesichtige Armbrustschütze, der als einziger Fernkämpfer die Schlacht gegen die Flamen am Morgen überlebt hatte, war auf dem Achterdeck im Schutz der Dunkelheit in Stellung gegangen. Frederick war nicht nur ein sehr schweigsamer und dem Kapitän treu ergebener Genosse; er besaß neben einem ausgeprägten Überlebensinstinkt vor allem ein erschreckendes Talent im Umgang mit seiner Waffe. Auf diese Entfernung angelegt, wäre jeder Schuss garantiert tödlich. Das Ziel, das Frederick unbemerkt von allen außer Claas im Visier hatte, war Corin.
    »Das ist dein Anteil, Junge«, erklärte Claas den Dolch zu Corins Füßen, sprach jedoch in Richtung seiner Männer. »Ein Teil deines Anteils. Wir teilen unsere Beute, gerecht, zwischen uns und den Armen dieser Welt«. Claas drehte den Kopf, sah Corin in die Augen und sein Tonfall wurde so beschwörend, dass Corin nicht verwundert gewesen wäre, hätten sich plötzlich goldene Einhörner in seinem Käfig materialisiert und Diamanten in seinen Kloeimer gekackt. »Und wir heißen jeden willkommen, der bereit ist gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen«, schloss Claas seine kleine Ansprache ab, nickte Corin noch einmal zu, und drehte sich dann wieder zu seinen Kumpanen, den Rücken immer noch als Zielscheibe für Corin angeboten.
    Corin senkte nachdenklich den Kopf und Gedankenfetzen sausten durch sein Gehirn.
    Er nahm den Dolch vom Boden des Käfigs und rammte ihn Claas mit voller Wucht in die Wirbelsäule. Der Hüne machte ein ziemlich blödes Gesicht, was das Aufreißen beider Augen mit einschloss, und fiel mausetot auf das Deck.
    Nein. So ging es nicht.
    Sein Bruder tot. Sein Vater tot. Der Mörder seines Vaters aber auch tot. Verdammt viele Menschen tot. Corin gefangen in einem Käfig. Ein Piratenkapitän, der für das Gute kämpft? Das war einfach zu schön um wahr zu sein. Aber es war tatsächlich wahr. Es war bestimmt wahr. Es musste einfach wahr sein. Corin wollte unbedingt, dass es wahr war. Wahr war. Wahr war.
    Corin rieb sich die Stirn. Wahr war. Wahr war. Er hatte Kopfschmerzen und schwor feierlich, jedem W, das ihm in naher Zukunft über den Weg laufen würde, in den Hintern zu treten.
    Das passte alles nicht. Er musste diese Leute hassen, aber gleichzeitig waren sie nicht nur ungeheuer sympathische Kerle, sie symbolisierten eben alles das, wovon Corin immer geträumt hatte. Grenzenlose Freiheit, Kampf gegen… na ja, gegen alles was ungerecht und gemein und doof war.
    Abenteuer. Freundschaft. Loyalität.
    Aber nein, er musste diese Leute hassen. Niemals würde er seinen Vater und Jonathan wieder sehen.
    Jonathan und Vater waren tot. Er war noch am Leben. Was sollte aus ihm werden?
    Er sah hinaus auf das dunkle Meer, auf dem sich das Mondlicht in tausenden Facetten brach.
    Was sollte er denn jetzt tun? Er wusste es nicht. Was er jedoch wusste, war, dass definitiv nicht genügend blinder Hass in ihm steckte, um jetzt den Dolch zu nehmen und ihn Claas zwischen die Schulterblätter zu rammen – und damit ganz nebenbei sein eigenes Leben zu verwirken, denn die Piraten würden es sicher nicht dabei belassen, nur dumm aus der Wäsche zu gucken, würde Corin tatsächlich ihren Kapitän abstechen.
    Corin seufzte, nahm den Scheibendolch und die Scheide auf und steckte beides zusammen. Das schleifende Geräusch der Klinge war Claas’ Stichwort. Der Hüne wirbelte herum und grinste über beide Ohren. »Holt ihn da raus, los«, rumpelte er und nur einen Augenblick später war ein Pirat mit einem großen Hammer auf das Dach des Käfigs gesprungen, holte weit aus, und fegte den Splint für die aufklappbare Stirnseite hinfort.
    Claas griff in den Käfig, packte Corin am Arm und zog den Jungen heraus. Viele Piraten waren mittlerweile die paar Schritte von der Feuerstelle zum Hauptmast gekommen und bejubelten Corins ersten Schritt

Weitere Kostenlose Bücher