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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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Balkan-Krieg, schreibt Fritz Hartnagel aus einer Kaserne in Münster einen Brief an Sophie Scholl. Plötzlich geht ihm durch den Kopf, wie wenig er von ihr weiß – »trotz allem, was uns verbindet«. Er wisse nicht einmal mit Bestimmtheit, »ob Du das, was ich suche, schon gefunden hast, oder ob es auch für Dich darin noch ungelöste Fragen gibt …« Kein Vorwurf solle das sein, nur ein Wunsch, weil es doch auch für ihn Bedeutung habe.
    Fritz Hartnagel erhält auf seine Anfrage keine Antwort. Zweierlei kommt da zusammen: Zum einen ist Sophies Furcht groß, jemand anders als der Adressat könnte ihren Brief lesen. Mehrfach beschwört sie Lisa Remppis, der sich Sophie Scholl wie sonst niemandem anvertraute, ihren Brief zu vernichten. Und diese Furcht hängt zusammen mit der Verschwiegenheit über das, was sie im Innersten bewegt. Sophie Scholl will nicht zu viel Gefühl zeigen, wo ihr das Denken doch so wichtig ist. Einem Tagebuch hat Sophie Scholl im Frühling und Sommer 1941 allerdings bruchstückhaft ihre Gedanken und Gefühle anvertraut.
    Am Palmsonntag 1941 war sie im Lager Krauchenwies angekommen. Die erste Woche war fast vorbei, als sie am Abend, alle Mädchen saßen im lustigen Trubel zusammen, »geschwind aufschaute« und durchs Fenster den Abendhimmel sah, »durch die kahlen Bäume den gelben Horizont. Da fiel mir plötzlich ein, dass Karfreitag war. Der so seltsam ferne, gleichmütige Himmel machte mich traurig.« Sophie Scholl kam sich zweifach ausgeschlossen vor, von den lachenden Menschen und von dem unbeteiligten Himmel. Ein Wunsch kommt in ihr auf: »Ich möchte gerne einmal in die Kirche, nicht in die evangelische, wo ich kritisch den Worten des Pfarrers zuhöre. Sondern in die andere, wo ich alles erleide, nur offen sein muss und hinnehmen.« Die andere, das war die katholische, in der sie in Ulm-Söflingen mit Inge Orgel gespielt hatte – und die ihnen Otl Aicher, der in dieser Kirche seit Kindheitstagen wie zu Hause war, buchstäblich und im übertragenen Sinne geöffnet hatte. Aber diese Sätze, so oft zitiert, haben einen Nachsatz, ebenso oft ausgelassen: »Ob dies aber das rechte ist?« Sophie Scholl traut ihrer spontanen Regung nicht. Sie wird darüber nachdenken.
    Zwei Tage später ein weiterer Eintrag: »Heute war Ostern. Wie aber habe ich bisher Ostern begangen? Wenn ich nur allein sein könnte. Jetzt werde ich noch lesen. Die ganze Ostergeschichte. Und dann noch Augustinus. Nebenher spielt die Ziehharmonika. Die Mädchen tanzen dazu.« Ein Hauch von Wehmut kommt auf in Erinnerung an die Osterfeste mit der Familie – ein festlicher Tag, bis weit zurück in die Kindheit in Forchtenberg. Aber jetzt sind Gefühle fehl am Platz. Disziplin ist angesagt und Beschäftigung mit den heiligen Texten; bloß kein Versinken in der Erinnerung, kein Selbstmitleid.
    Während Sophie Scholls Beziehung zu Fritz Hartnagel in diesen Wochen auf ruhige Bahnen zuläuft, erfährt die Beziehung zwischen Otl Aicher und Inge Scholl eine entscheidende Wende. Am 21. Juli kehrt Inge Scholl aus einem zweiwöchigen Urlaub zurück. Acht Tage davon ist sie mit Otl Aicher im Karwendel-Gebirge gewandert. Sie haben viel gelesen, schreibt sie an Sophie Scholl: »Hölderlins ›Hyperion‹, Piepers Büchlein ›Die Klugheit‹ … und Garrigou-Lagrange ›Der Sinn für das Geheimnis‹ – das wird Dich interessieren.« Das schmale Bändchen des katholischen Theologen und Thomas-Experten Josef Pieper wanderte unter den Scholl-Geschwistern von Hand zu Hand. Auch der Name des französischen Dominikanerpaters Réginald Garrigou-Lagrange, von 1909 bis 1960 Professor an der päpstlichen Universität in Rom, einflussreicher Kenner und Förderer der Theologie des Thomas von Aquin, wird Sophie Scholl nicht mehr unbekannt gewesen sein.
    Dass außer Lektüre-Stunden noch anderes geschah, erfährt nach ihrer Rückkehr Ernst Reden – der Freund, dem Otl Aicher im Frühjahr 1941 seine Liebe bekannt hatte – eine Liebe, für die Gott der Angelpunkt war. Auch Ernst Redens Beziehung zu Inge Scholl, die im Herbst 1938 begann, hatte mit Freundschaft und Liebe zu tun. »Gestern den ganzen Tag an Dich gedacht, mit Dir wird der Atem ganz leicht und ich spüre wieder, dass ich lebe«, hatte er ihr im Juli 1940 geschrieben. Doch es ist wohl auch eine Beziehung mit Komplikationen: »Du darfst es mir nicht übel nehmen, wenn ich Dir wieder einmal sage, dass Du Deine ganze Freiheit hast … Ich bin vielleicht zu einsam, um glücklich zu machen –

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