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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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telegrafisch gebeten, ihm umgehend Zivilkleidung zu schicken. Schon am 5. November hatte Sophie Scholl aus Blumberg ihren Eltern geschrieben: »Nächsten Sonntag treffe ich mich mit Fritz in Freiburg.«
    So einleuchtend die theologischen Argumente sind, die Fritz Hartnagel anführt, um die sinnlich-körperliche Dimension ihrer Beziehung aufrecht zu erhalten, vielleicht hat etwas anderes Sophie Scholl noch tiefer berührt: Fritz Hartnagel war fromm geworden – und er beruft sich ausdrücklich auf sie: »Wenn wir gemeinsam diesen Schritt tun würden, zu dem Du mir geraten hast, einfach einmal zu glauben – fromm zu sein. Sofie, vielleicht können wir einmal auch zusammen beten.« Das Beten ist ihm ganz wichtig geworden, taucht immer wieder auf in den Briefen dieser Wochen. Ende November beklagt er, dass sie »immer wieder auf so augenfällige Weise abrutschen in die Sünde«. Das einzige wirkliche Heilmittel dagegen: »Wir müssen beten, öfters beten, denn solange das Gebet noch in Erinnerung ist, (das heißt doch der Wille zum Guten) kann man auch nichts Schlechtes tun.«
    Die meisten November-Wochenenden verbringen sie in Freiburg. Am 5. Dezember werden sie sich wieder treffen, nachdem Sophie Scholl die Silberne Hochzeit der Eltern mitgefeiert hat. Wenn Fritz Hartnagel in Weimar den Zug um 9 Uhr 56 schaffte, kam er um 21 Uhr 14 in Freiburg an, wo ihn Sophie Scholl am Bahnsteig erwartete. Sie hatte von Blumberg eine wesentlich kürzere Fahrt. Am Sonntagabend trennten sie sich auf dem Bahnhof um 17 Uhr 27 oder um 18 Uhr 55. Um sich Nachfragen beim Buchen des Doppelzimmers zu ersparen, hatte Fritz Hartnagel ein Paar einfache Eheringe gekauft. Im Laufe des November zeigten Fritz Hartnagels Briefe Wirkung – und sein eigenes Verhalten. Am 17. November schreibt Sophie Scholl an Lisa Remppis, sie sei gestern mit Fritz in Freiburg gewesen; er sei aufgeschlossen, beinahe verwandelt: »Ich schäme mich immer mehr, dass er mir einmal lästig war, weil er vielleicht nicht so geistreich und eindrucksvoll war wie andere. … Er verwirklicht seine Erkenntnisse, soweit es einem Menschen in seiner Schwachheit möglich ist.« Sophie Scholl muss es wie ein Wunder vorgekommen sein.
    Fritz Hartnagel hatte das Gelobte Land erreicht, während sie noch durch die Wüste wanderte. Er konnte beten, und gewann daraus seine Zuversicht und seine Kraft. Er hatte erreicht, wonach Sophie Scholl sich gerade in den Monaten November und Dezember 1941 verzweifelt und vergeblich sehnte; worum sie mit ihrem Gott rang wie Jakob mit dem Engel. Im Zentrum ihrer Tagebuch-Eintragungen steht das Beten, als die wichtigste Etappe auf dem Weg zu Gott.
    Am Tag nach ihrer Ankunft in Blumberg – der 1. November war ein Samstag – hatte Sophie Scholl ihre RAD-Unterkunft verlassen und saß bei der Familie von Hildegard Schüle, die sie im Lager Krauchenwies kennengelernt hatte und die in Blumberg zu Hause war. Dort machte sie ihre Tagebuch-Eintragung: »Eigentlich kam ich her, um nachher in der Kapelle Orgel zu spielen, oder um bloß in der Kapelle zu sein. Ich würde so gern an Wunder glauben. Ich würde so gern glauben, dass ich durch das Gebet Kraft bekomme. Allein kann ich nichts.« Sophie Scholl, durch die Mutter seit Kindertagen mit der Bibel vertraut, denkt an den Propheten Jeremia: »Ich möchte, wie jener Prophet, Gott um ein sichtbares Zeugnis seiner selbst befragen. Oder ist das gar nicht mehr nötig. Ich möchte mich selbst ausbreiten wie ein Tuch, dass er darin seinen Tau sammle.« Nachmittags geht sie doch noch in die Kapelle, »angeblich, um Harmonium zu spielen«. Tatsächlich kniete Sophie Scholl sich nieder und versuchte zu beten. Doch weil sie befürchtete, Hildegard Schüle könne kommen, vor der sie »ihr Verschwiegendstes nicht preisgeben« wollte, betete sie hastig, als wollte sie »etwas erzwingen«, und stand bald wieder auf.
    Es ist die Erfahrung der Ohnmacht, die sich in ihrer Suche nach Gott und in ihrer Sehnsucht nach der Kraft des Gebetes bündelt. Am 12. Dezember notiert sie den Psalm, den sie 1939 in dem von ihr sehr geschätzten Buch »Vorsommer« entdeckt hatte: »Gib Licht meinen Augen, oder ich entschlafe des Todes, und mein Feind könnte sagen, über den ward ich Herr.« Und fährt fort: »Ich will mich an Ihn klammern, und wenn alles versinkt, so ist nur er, wie schrecklich, wenn er einem fern ist.« Entgegen allen Beteuerungen, sich nicht von der Willkür des Arbeitsdienstes, der jetzt nur einen anderen Namen trägt,

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