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Sophie Scholl

Sophie Scholl

Titel: Sophie Scholl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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feststand, lag die bisherige politische Landschaft Deutschlands in Trümmern. Die SPD hatte zehn Sitze verloren, doch mit 24,5 Prozent war sie immer noch die stärkste Partei. An die zweite Stelle aber hatten 6 400 000 Wähler eine rechtsradikale Partei gesetzt, die bei der Reichstagswahl von 1928 unter ferner liefen rangierte. Im September 1930 schnellte die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei – NSDAP – unter der Führung Adolf Hitlers von 2,6 auf 18,3 Prozent und stellte nicht mehr 12, sondern 107 Abgeordnete. Das war eine Katastrophe für die junge deutsche Demokratie.
    Als der neu gewählte Reichstag im Oktober in Berlin zusammentrat, notierte Harry Graf Kessler – Schriftsteller, Förderer der modernen Kunst und überzeugter Demokrat – in seinem Tagebuch: »Den ganzen Nachmittag und Abend große Nazimassen, die demonstrierten und am Nachmittag in der Leipziger Straße die Fensterscheiben der Warenhäuser Wertheim, Grünfeld usw. einschlugen. Abends auf dem Potsdamer Platz Ansammlungen, die ›Deutschland erwache‹, ›Juda verrecke‹, ›Heil, Heil‹ riefen …« Die Nationalsozialisten zielten auf die Zerstörung der Republik von Weimar und machten kein Hehl daraus. Seinen Anhängern in München versicherte Adolf Hitler gleich nach der Wahl: »Im Prinzip sind wir keine parlamentarische Partei.« Den Wahlsieg deklarierte er als eine »neue Waffe für unseren Kampf«.
    Die wenigsten durchschauten Hitlers doppelzüngige Politik. Adolf Hitler war ein hervorragender Schauspieler und nutzte die »neue Waffe« schon am 25. September vor dem Reichsgericht in Leipzig. Dort lief ein Prozess gegen drei Offiziere der Reichswehr, die in Ulm Flugblätter verteilt hatten, auf denen sie zu einer »nationalen Volkserhebung« aufriefen und indirekt für die NSDAP warben. Richard Scheringer, einer der drei Angeklagten, erinnert sich in seiner Autobiografie an die Parolen, die sie bei verschwörerischen Treffen mit gleichgesinnten Kameraden im Offiziers-Kasino skandierten: »Weg mit dem Versailler Diktat! Weg mit den Bürogeneralen. Es lebe die Front! Es lebe die Freiheit.« Die NSDAP schien ihnen der Garant für einen nationalen Sozialismus. Die Staatsanwaltschaft bewertete die Agitation innerhalb der Reichswehr als »Vorbereitung zum Hochverrat«, zumal die NSDAP nicht verfassungstreu sei.
    Doch sowohl die Reichswehr-Sympathisanten der NSDAP als auch die Anklage hatten ihre Rechnung ohne Adolf Hitler gemacht. Der Auftritt des Einundvierzigjährigen vor dem Reichsgericht war meisterhaft. Die Macht zum Greifen nahe, disziplinierte Hitler sich und verlor nicht die Nerven. Er wurde im Zeugenstand als Führer der NSDAP befragt, ob seine Partei die Verfassung der Weimarer Republik anerkenne und sich an die Gesetze halte. Hitler holte aus zu einer langen Propagandarede gegen das Gift der Demokratie und des Pazifismus, das Deutschland zu vernichten drohe, machte sich geschickt zum Verteidiger der Reichswehr – wer das Heer zersetze, sei ein Feind des Volkes – und beteuerte, die NSDAP werde ausschließlich mit legalen Mitteln den Weg zur Macht beschreiten – anderes habe sie gar nicht nötig: »Noch zwei bis drei Wahlen, und die nationalsozialistische Bewegung hat im Reichstag die Mehrheit, und dann werden wir die nationale Revolution machen.« Dramatisch verlangte Hitler, auf sein Bekenntnis zur Legalität der »Bewegung« vereidigt zu werden. Der Richter tat ihm den Gefallen.
    Damit jedoch war Adolf Hitlers Part, so wie er ihn einstudiert hatte, noch nicht beendet. Der Zeuge Hitler nutzte die Bühne des Reichsgerichts, der Öffentlichkeit seine Legalitätslüge als Wahrheit zu verkaufen. »Legalität« hieß die »Waffe«, mit der er das skeptisch-verängstigte Bürgertum, das keine braunen Rabauken an den Hebeln der Macht wünschte, beruhigte. Hitler blieb seiner Methode treu, die Lügen immer zugleich mit der Wahrheit dahinter zu konfrontieren, und zwar öffentlich. Auch dieses Bekenntnis gehört zu seiner Aussage vor dem Leipziger Prozess im September 1930: »Ich stehe hier unter dem Eid vor Gott dem Allmächtigen. Ich sage Ihnen, dass, wenn ich legal zur Macht gekommen sein werde, dann will ich in legaler Regierung Staatsgerichte einsetzen, die die Verantwortlichen an dem Unglück unseres Volkes gesetzmäßig aburteilen sollen. Dann werden möglicherweise legal einige Köpfe rollen.« Adolf Hitler setzte lebenslang darauf, dass man seine wahren Ziele gar nicht krass genug darstellen könne, damit die

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