SOS Kinderseele: Was die emotionale und soziale Entwicklung unserer Kinder gefährdet - - und was wir dagegen tun können (German Edition)
im folgenden Kapitel näher ein.
Wenn Betriebssystem und Programme inkompatibel sind. Oder: Warum sich die emotionale und soziale Psyche nicht bildet
All die beschriebenen Entwicklungen in unserer Gesellschaft, in den Familien und den Bildungsinstitutionen gefährden massiv das Kindeswohl. Das ist die Feststellung, auf die es mir ankommt und auf die es der Gesellschaft ankommen sollte, wenn wir künftigen Generationen eine lebenswerte Zukunft ermöglichen wollen.
Es ist unerlässlich, sich darüber klar zu werden, dass eine voll entwickelte emotionale und soziale Psyche die Grundlage für ein menschenwürdiges Leben ist. Jeder, der mit Kindern zu tun hat, müsste also immer und überall bei Überlegungen über Pädagogik und Erziehung vor allem darüber nachdenken, was wir tun können, um die Entwicklung unserer Kinder in diesem Bereich nicht nur überhaupt zu gewährleisten, sondern sie auch immer wieder zu stärken.
Anhand der eingangs beschriebenen Entwicklungspyramide ist deutlich zu erkennen, warum immer mehr Kinder und Jugendliche heute bei bester Intelligenz nicht lernmotiviert erscheinen, Klassenverbände regelmäßig sprengen und schließlich am Einstieg in die Arbeitswelt scheitern. All diese Kinder werden in Familien mit engagierten Eltern groß, die durch gesellschaftliche Veränderungen in eine Symbiose gerutscht sind. Sie verbleiben psychisch auf einem Entwicklungsstand von zehn bis sechzehn Monaten, also am unteren Ende der Entwicklungspyramide, mit der Folge, dass sie die Folgeschritte der Entwicklung nicht mehr nehmen können.
Es handelt sich bei diesem Entwicklungsstillstand weder um ein Problem der Erziehung noch um ein Problem in der Motivation der Kinder, sondern gewissermaßen, um ein Bild aus der modernen Welt zu gebrauchen, um eine Inkompatibilität von Betriebssystem und Programmen auf der Festplatte.
Was meine ich mit diesem Vergleich? Sie können sich einen PC hinstellen, auf dem alles installiert ist, was die Informationstechnologie hergibt – die modernsten, umfangreichsten und funktionellsten Programme, mit denen Sie theoretisch ganz wundervoll arbeiten können. Aber eben nur theoretisch. Denn das Problem ist: Auf Ihrem PC läuft ein Uralt-Betriebssystem, sagen wir mal, »Windows 95«. Sie werden all Ihre wunderbaren Programme und Funktionen mit diesem Betriebssystem niemals zum Leben erwecken, all die schöne Software schlummert vor sich hin und kann nicht dafür genutzt werden, wofür sie eigentlich gut wäre.
Ähnlich sieht es mit der Psyche und damit auch mit der emotionalen und sozialen Kompetenz aus. Was für den Computer die Programme sind, das ist für die Kinder die Erziehung, das sind die pädagogischen Konzepte, nach denen sie in der Schule unterrichtet werden, das sind zum Teil auch die logopädischen, ergotherapeutischen oder sonstigen Behandlungen, denen Kinder heute geradezu inflationär unterzogen werden. All das kann bei Kindern sehr viel Gutes bewirken, sie voranbringen und ihnen helfen. Allein: Es ist mehr oder weniger nutzlos, wenn es auf das falsche Betriebssystem, sprich: eine nicht altersgemäß entwickelte Psyche, trifft. Die Wirkung der Bemühungen verpufft, weil keine Verbindung hergestellt werden kann, weil das notwendige Zusammenspiel beider Sphären nicht funktioniert.
Es ist entscheidend, diesen Zusammenhang wirklich zu verstehen, weil sich nur dann nachvollziehen lässt, warum es nicht um Erziehung oder Therapie und auch nicht um Disziplin und Ordnung gehen kann, wenn wir uns Gedanken darüber machen, wie wir Kinder emotional und sozial reifen lassen können. Diese Reifung ist Bestandteil der Entwicklung, und Entwicklung funktioniert nur über die Beziehung.
Kinder mögen also erzogen worden sein, sie mögen eine vielleicht sogar überdurchschnittliche Intelligenz besitzen und kognitiv gute Leistungen erbringen. Trotzdem kann es sein, dass sie im emotionalen und sozialen Bereich auf dem Niveau von kleinen Kindern verbleiben. Diese Kinder drehen sich den ganzen Tag nur um sich selbst und um ihre Bedürfnisse. Sehr gut erkennen lässt sich eine nicht entwickelte emotionale und soziale Psyche zum Beispiel am Verhalten in Konflikten: Kann das Kind überhaupt in Konflikten Zusammenhänge erkennen? Kann es altersangemessen den eigenen Anteil beim Konflikt sehen? Kann es aus Konflikten lernen? Ein zweiter Punkt ist dann: Hat das Kind ein angemessenes Unrechtsbewusstsein? Kann es unterscheiden zwischen richtigem, angemessenem und falschem, unangemessenem
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