Soul Beach 1 - Frostiges Paradies (German Edition)
mehr. Wenn sie jetzt die Auffahrt zu unserem Haus hinaufginge, sähe sie zwar keinen Unterschied: Die Farbe am Garagentor blättert immer noch ab und die Skulptur des Pärchens, das sich küsst, steht immer noch an dem Pfad, der durch den Vorgarten führt. (Nicht gerade nach dem Geschmack meiner Eltern, aber der Vorbesitzer hat sie einbetoniert und sie lässt sich keinen Millimeter verrücken.)
Im Haus allerdings scheint alles wie auf den Kopf gestellt, eine Parallelwelt, in der eine böse Macht alles umgekrempelt hat, sodass glücklich und Familie zu traurig und Fremde geworden sind.
»Erzähl mir, was im Fernsehen läuft«, bittet Meggie.
Während ich versuche, mir die neusten Entwicklungen in ihrer Lieblingssoap in Erinnerung zu rufen, kann ich nur mit Mühe den Anschein aufrechterhalten, dass das alles eine Rolle spielt. Aber ich muss, um ihretwillen. Komisch, wie selig ich noch vor einem Monat darüber gewesen wäre, überhaupt mit ihr über irgendwas reden zu können, so banal es auch sein mochte.
»Hallo, Mädels.«
Ich weiß, dass er es ist, noch bevor ich mich umdrehe. Danny Cross. Im Halbdunkel wirkt er älter, ernsthafter. Er ertappt mich dabei, wie ich ihn anstarre, und ich werde rot. Mein einziger Trost ist, dass er das nicht sehen kann, weil ich ja nicht in Wirklichkeit dort bin.
»Immer noch ganz schön heiß, was?«
Oh. Mein Blick wandert zum verräterisch glimmenden Licht der Webcam. Offensichtlich kann Danny mein Gesicht sehr wohl sehen. Ich hoffe nur, es wurde auch der magischen Soul-Beach-Verschönerungskur unterzogen, sodass ich genauso fantastisch aussehe wie die Gäste. »Ach ja?«
Meine Schwester seufzt. »Pff, hier ist es immer heiß, sogar nach Sonnenuntergang. Ich hätte nie gedacht, dass ich mir mal Regen wünschen würde.«
Ich drehe mich um und spähe aus meinem echten Fenster in meinem echten Zimmer: Ein Gewitter ist aufgezogen und ich hatte es noch nicht einmal bemerkt. Der dicht bewölkte Himmel wird immer wieder von Blitzen aufgerissen und Sekunden später folgt der Donner. Das Auge des Sturms muss ganz nah sein.
»Wir könnten in die Bar gehen. Da gibt es wenigstens Deckenventilatoren«, schlägt Danny vor.
Als wir hereinkommen, quält Sam sich von ihrem Stuhl hoch, um den beiden ihre Cocktails zu mixen, mich dagegen beachtet sie abgesehen von einem unauffälligen Nicken gar nicht. Das soll wohl bedeuten, dass unser Gespräch streng privat war. Aber ich würde sowieso keinem davon erzählen. Nicht, wenn so viel auf dem Spiel steht.
Ich beobachte meine Schwester ganz genau, als sie sich mit ihrem Mojito hinsetzt, und versuche, mir jeden einzelnen Millimeter einzuprägen. Denn wenn ich tatsächlich Tim auf die Sache anspreche und damit womöglich irgendetwas aufkläre, dann könnte ich sie wieder verlieren.
Aber wohin geht sie dann? Existiert sie gar nicht mehr oder gibt es einen anderen Ort jenseits des Strandes?
»… war sie schon immer so eine Tagträumerin?«
Javier und Triti haben sich zu uns an den Tisch gesetzt und Javier wedelt mir mit der Hand vor dem Gesicht herum.
»’tschuldigung. Ich war meilenweit weg.«
»Du meinst wohl Lichtjahre, oder?«, erwidert Javier und die anderen lachen.
Vor meinem Zimmerfenster blitzt es so grell, dass es mich blendet. Das Gewitter muss jetzt direkt über mir sein; der Donner folgt sofort. Von den anderen am Strand zuckt natürlich niemand zusammen.
Irgendwie fühle ich mich auf den Arm genommen. »Weißt du, für mich ist das alles auch nicht so leicht.«
»Was? Am Leben zu sein? Ach, du armes Ding.« Javier lässt mich nicht aus den Augen, wie ein Jaguar, der seine Beute taxiert. Ich sehe meine Schwester an, aber sie lächelt ihn bloß an.
»Lass sie in Ruhe.« Es ist Danny, der schließlich für mich eintritt.
Ein verschlagenes Grinsen huscht über Javiers unrasiertes Gesicht. »Wie süß.«
»Was?«, will Danny wissen.
»Liebe über alle Grenzen hinweg. Das ist ja wie im Märchen. Es waren einmal ein Prinz und eine Prinzessin, die hatten sich furchtbar lieb«, trägt Javier klagend vor und Triti und Meggie ziehen Gesichter, aber es sind Du-bist-einfach-zum-Totlachen-Gesichter.
Jetzt prasselt der Regen gegen mein Fenster, laut wie Gewehrkugeln.
»Beachte ihn einfach nicht. Er ist ein Arschloch«, sagt Danny.
»Und du bist der Beweis, dass Amerikaner keinen Humor haben«, entgegnet Javier, streckt seine langen Beine aus und gähnt.
Meggie lächelt mir zu. »Kümmer dich einfach um keinen von beiden, Florrie. Die
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