Soul Screamers: Todd (German Edition)
sterben zu lassen? Das qualifiziert mich noch lange nicht. Es macht mich gerade mal zu einem Menschen.“
Levi schüttelte den Kopf. „Du hast bestanden, weil du dein Leben geopfert hast, um ihn zu retten.“
„Weil ich mich schuldig gefühlt habe! Ich hätte meiner Mutter nicht Tag für Tag mit dem Wissen ins Gesicht sehen können, dass ich an Nashs Tod schuld bin.“ Und mir selbst genauso wenig.
„Von mir aus, aber du hast nicht versucht, die Lorbeeren dafür einzuheimsen. Abgesehen davon bist du in dem Glauben gestorben, dass es dein Ende bedeutet. Genau das war der Test.“ Er beugte sich zu mir, und ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass jetzt seine Lieblingsstelle kam. „Wenn wir die Machthungrigen aussortieren wollen und diejenigen, die nur ihr Leben verlängern möchten, dürfen wir keine Freiwilligen nehmen. Unserer Erfahrung nach sind gerade die Leute, die sich vor der Macht scheuen, am besten dafür geeignet, sie auszuüben. Unsere Rekruten müssen also aus freiem Willen für eine andere Person sterben, ohne eine Gegenleistung zu erwarten.“
Einige Sekunden lang starrte ich den Reaper einfach nur an. Sie ließen mich nach dem Tod weiterleben – natürlich nur unter Einhaltung aller Auflagen –, weil ich freiwillig gestorben war? „Ist die Ironie des Ganzen beabsichtigt oder reiner Zufall?“
Der Reaper lachte. „Diese Frage kannst du selbst beantworten, wenn du ein paar Jahre als Reaper gearbeitet hast.“
„Woher wusstest du, dass ich Ja sage?“ Mir wurde ganz schwindlig bei diesem Gedanken. „Du musst es gewusst haben. Warum hast du mich sonst so lange beobachtet?“
„Ich habe es nicht gewusst. Aber ich bin das Risiko eingegangen, und mein Engagement zahlt sich hoffentlich aus. Wir mussten eine Stelle besetzen, also bin ich alle Möglichkeiten durchgegangen. Von denen, die auf der Liste stehen, kommt natürlich niemand infrage, aber manchmal gibt es jemanden, der für einen auf der Liste sterben will. Bei den Eltern von Kleinkindern ist das oft der Fall. Aber von denen stand keiner auf meiner Liste, also hab ich nach Geschwistern gesucht. Nash war einer von dreien in meinem Bezirk und der Einzige mit einem Bruder im selben Alter. Bei euch beiden war die Wahrscheinlichkeit, dass ihr euch nahe steht, größer als bei den anderen. Noch dazu wusstest du als Banshee, dass ein Austausch möglich ist. Das ist für einen Neuling zwar ungewöhnlich, ist mir in dem Fall aber zugutegekommen.“
„Das ist doch alles bloß graue Theorie“, widersprach ich. „Im wahren Leben kann einer der Brüder ein herzloses Arschloch sein, das lieber mit seiner Freundin rummacht, statt auf seinen nervigen kleinen Bruder aufzupassen, und den armen Jungen somit zum Tode durch Frontalzusammenstoß verdammt!“
„Vergiss nicht, dass Nash sowieso gestorben wäre“, erwiderte Levi. „Auch wenn er zu Hause geblieben wäre. Und da du an seiner Stelle gestorben bist, solltest du deine Schuldgefühle meiner Meinung nach jetzt endlich begraben.“
„Wenn du glaubst, dass das so einfach geht, musst du schon ziemlich lange tot sein.“
Außer einem geheimnisvollen Lächeln konnte ich Levi keinen Kommentar zu seinem Alter entlocken.
„Was ist mit dem Typen, der uns gerammt hat?“, fragte ich. „Er hat doch überlebt, oder? Du hättest dir ihn schnappen und uns beide am Leben lassen können!“
Levis Lächeln erstarb, er wirkte völlig überrumpelt. „Ja, das hätte ich tun können. Aber er hat sich nicht freiwillig gemeldet. Und wenn ich diesen Besoffenen genommen hätte und nicht dich, müsste ich jetzt wieder nach einem neuen Mitarbeiter suchen. Verstehst du?“
Ich war sprachlos. Es ging ihm tatsächlich nur darum, die freie Stelle zu besetzen. „Du lässt einen betrunkenen Autofahrer am Leben und tötest mich, nur damit du aus diesem Altenheim rauskommst?“
Levi zuckte die Schultern. „Für den Fahrer hatte ich keinerlei Verwendung. Für dich schon.“
5. KAPITEL
„Wo sind wir?“ Kaum nahm die Welt um mich herum wieder Gestalt an, riss ich mich von Levi los, heilfroh, der Berührung eines Toten entkommen zu sein. Seine Hand fühlte sich nicht anders an als andere Hände, aber allein der Gedanke, dass sie am Arm eines toten Kindes hing, verursachte mir eine Gänsehaut.
Genau wie die plötzliche Erkenntnis, dass meine Hand jetzt auch einem toten Jungen gehörte.
„Das ist ihr neues Zuhause“, erklärte Levi.
Eine Straßenlaterne warf spärliches Licht in den Vorgarten. Das Haus
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