SOULMATE (German Edition)
vor. Vielleicht hatte Patrick seine Finger im Spiel, hatte ihn losgeschickt, um mir einen vermeintlichen Gefallen zu tun. Vielleicht hatte er Finn erzählt, dass ich in ihn verknallt war. Schrecklicher Gedanke! Nein, unmöglich, das würde Patrick niemals tun.
Er sah starr geradeaus und machte dabei eine ernste Miene, hatte die Hände in die Jackentaschen gesteckt, die Schultern hochgezogen und lief ein wenig gebeugt, so als würde er frieren oder sich für mich kleiner machen.
Er sah wie ein richtig cooler New Yorker aus. Na ja, jedenfalls stellte ich mir einen richtig coolen New Yorker so vor: gut aussehend, aber auf keinen Fall schnöselig, klug, aber ohne versnobt und überheblich zu wirken, selbstverständlich auf irgendeine Weise künstlerisch begabt und dann nicht zu vergessen … mit einem Schuss Tragik in den Augen, was unbedingt dazugehörte, weiß nicht genau warum …
»Pure Projektion!« würde meine neunmalkluge Schwester jetzt schreien. Sie war der Meinung, dass ich immer bestimmte Vorstellungen von meinen Mitmenschen hatte und am Ende enttäuscht wurde, wenn sie diesen Vorstellungen nicht entsprachen. Sicher war da was Wahres dran, aber zu meiner allgemeinen Verteidigung muss ich hier einwenden, dass ich nichts für meine Fantasie kann und außerdem eine Menge Filme gesehen und nicht gerade wenige Bücher gelesen habe. Diese fiktiven Storys kommen mir manchmal merkwürdig real vor. Dann kann es passieren, dass ich mir einbilde, jemand sei genau wie eine Figur aus einer dieser Geschichten, die ich so liebe ... ja, bis die Seifenblase platzt. Trotzdem mache ich es immer wieder …
Ich weiß, dass das etwas seltsam klingt …
Und mit Finn war es möglicherweise nicht anders. Ich hatte mir ein Bild von ihm gemacht und war in dieses Bild total vernarrt, obwohl ich wusste, dass es dumm und obendrein riskant war.
Wie auch immer, der echte, reale Finn jedenfalls, der dicht neben mir lief, begleitete mich nach Hause.
Das war Fakt und keine Träumerei.
Als wir vor meinem Hauseingang standen, fragte ich ihn, ob er Lust hätte, noch mit nach oben zu kommen, rechnete aber mit einem ‚Nein‘.
»Ja, gerne, wenn du es willst«, sagte er prompt und sah verlegen auf seine türkisblauen Chucks herab. Ungläubig starrte ich ihn für einige Sekunden an und riss den Blick endlich wieder los.
Ich vibrierte innerlich, als ich das Licht im Hausflur anmachte und schwankend vorausging. Ich stieg die Treppen hoch, und Finn folgte mir schweigend.
Als ich ungeschickt meine Wohnungstür aufschloss, verspürte ich eine beginnende Übelkeit, die sich rasend schnell verstärkte. Ich stürzte sofort ins Badezimmer und konnte es gerade noch abwenden, mich zu übergeben. Im Spiegel sah ich mein gerötetes Gesicht. Meine Schminke war völlig ruiniert und die Haare standen mir merkwürdig ab, was mich sehr wunderte. Hatte ich unbewusst die ganze Zeit durch meine Haare gewühlt und meine Locken langgezogen?
Wie auch immer. Ich putzte schnell meine Zähne, um den schalen Geschmack aus meinem Mund zu bekommen, musste mich dabei mit einer Hand am Waschbecken stützen, plättete meine Haare so gut es ging mit ein wenig Wasser und nahm mehrfach tief Luft.
Finn stand im Zimmer vor meinem Bücherregal und nahm gerade ein Buch heraus, als ich in der Türschwelle erschien. Ich erkannte sofort, dass er »Garp« von John Irving in den Händen hielt.
»Ist eins meiner Lieblingsbücher«, sagte ich, um mich bemerkbar zu machen.
»Meins inzwischen auch. Ich hab‘s erst letztes Jahr gelesen, als ich im Krankenhaus lag«, antwortete er, ohne aufzusehen.
Oh? Sofort hatte ich Fragen im Kopf, konnte aber keinen vernünftigen Satz formulieren und schwieg folglich.
Er blätterte ein wenig in den Seiten und legte es schließlich wieder zurück. Dann drehte er sich um, stand unbeweglich da und sah mich erwartungsvoll an. Ich fragte mich, wie es nun weitergehen würde und weshalb diese Situation so verkrampft war.
Es war kaum zu glauben, dass er wirklich hier war, in meinem Zimmer, als wäre es das Normalste von der Welt. Mein Herz klopfte aufgeregt, meine Arme hingen nutzlos an mir herunter, schienen mir nicht zu gehören. Ich fühlte mich wie im falschen Film, als wäre ich eine bedauerliche Fehlbesetzung und könnte meinen Text nicht.
Und dann fragte ich ganz spontan etwas, das uns beide überraschte: »Warum bist du eigentlich hier?«
Meine Knie wurden weich wie Butter, drohten einzuknicken, unter den Achseln begann ich zu
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