SOULMATE (German Edition)
enttäuscht, ich weiß, aber ich muss wirklich heute noch mit dem Text anfangen«, sagte er, immer noch in einem sachlichen Ton. »Willst du vielleicht wissen, worüber ich schreibe?«
Ich griff nach meiner Kaffeetasse und trank erstmal einen Schluck, bevor ich seine Frage mit einem schwachen Kopfnicken bejahte. Mein Blick fiel unweigerlich auf seine Knie, die ungeduldig wackelten. Als er es bemerkte, streckte er die Beine aus und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Obwohl wir nah beieinander saßen, schien sein Körper für mich unerreichbar fern zu sein, dabei sehnte ich mich nach einer Umarmung, die alles erträglicher gemacht hätte. Ich erinnerte mich an sein Flüstern in der Nacht, seinen Atem an meiner Stirn, fragte mich, wie er es schaffte, innerhalb kürzester Zeit so gegensätzliche Gefühle in mir hervorzurufen.
»Okay«, fing er an. »Es ist ein Artikel für ein Naturmagazin, das ‚God‘s Creation‘ heißt.« Er hielt inne, als würde er meine Reaktion abwarten wollen.
Diese überraschende Info half mir tatsächlich, meine Stimme wieder zu finden. »Bist du religiös oder so? Ich meine, so richtig?«, fragte ich verwundert, weil das Wort »God« in meinem Kopf widerhallte wie ein lautes Echo.
Jetzt lächelte er zum ersten Mal an diesem Tag ein winzig kleines bisschen und machte große Augen. »Nein, nein, keine Sorge, du etwa?«
Ich schüttelte den Kopf und probierte ebenfalls ein Lächeln, das allerdings nicht mehr als nur ein kurzes Zucken meiner Mundwinkel wurde. »Meistens nicht, nein«, murmelte ich.
»Oh, okay, gut. Ich weiß, es ist schon etwas merkwürdig, für ein christliches Magazin zu schreiben, wenn man mit Religion nicht viel am Hut hat, sagt man doch so, oder?«
Ich nickte müde.
»Aber die Redaktion interessiert sich für meine persönliche Einstellung nicht. Die sind vor allem eine populärwissenschaftliche Zeitschrift, die sich mit Phänomenen der Natur befasst und schöne Bilder abdruckt, ähnlich wie ‚National Geographic‘ oder ‚Geo‘, aber schon noch anders, eben christlich geprägt, was man an manchen Beiträgen und Kolumnen und vor allem an der generellen Botschaft erkennen kann, so nach dem Motto, alle Dinge der Natur, schöne und hässliche, sind von göttlichem Ursprung, eine Kreation des Allmächtigen und der ganze Kram, du weißt schon.«
»Mhm ...« Ich wusste gar nichts, fühlte mich nicht gut, gar nicht gut. Was sollte der ganze Scheiß?
»Ich werde über die Dämmerung schreiben«, ließ er mich wissen, seine Stimme wurde nun etwas lebhafter. »Das Dämmerlicht in der Großstadt! Also genau die Zeit, wenn die Sonne gerade untergeht und es weder dunkel noch hell ist und wie das auf die Menschen wirkt.«
»Aha …« Ich fragte mich unweigerlich, was man über die Dämmerung denn Besonderes schreiben konnte.
Er fuhr fort: »Da sind dann auch philosophische Gedanken enthalten ... über den Übergang von einem Stadium in ein anderes, vom Leben in den Tod zum Beispiel, oder über die Unsicherheit in Grenzsituationen, denn das Dämmerlicht, oder nenne es von mir aus das Zwielicht, also, das ist so eine Art Grenzerfahrung, welche …«
Ich bekam seinen letzten Satz nicht mehr mit, klinkte mich aus, war vollkommen konfus … Meine Gedanken flüchteten in alle Richtungen wie eine Herde Antilopen vor ihrem Fressfeind:
Warum reden wir nicht darüber, dass er sich völlig seltsam verhält? Was ist eigentlich los mit mir, dass ich in seiner Gegenwart eine Achterbahn der Gefühle durchmachen muss? Warum habe ich ständig tausend Fragen im Kopf und keine Antworten?
Nach ein oder zwei Minuten versuchte ich, zu unserer Unterhaltung zurückzukehren und den Faden wieder aufzunehmen. Ich versuchte, ihn anzusehen, auch wenn es weh tat. »Und was sind so deine Ansichten dazu, ähm, wie heißt das korrekt noch mal? Deine ‚Thesen‘, genau, also für den Artikel, den du schreiben willst?«
Er sah mich absolut ernst und durchdringend an. »Wusstest du, dass die Menschen in der Dämmerung mehr Gedanken produzieren und die besten Ideen haben, mehr Entscheidungen fällen und Gefühle sehr viel intensiver erleben, als zu irgendeiner anderen Zeit des Tages?«
Ich schüttelte den Kopf, hatte bisher nichts dergleichen gehört, und es hörte sich für mich ganz ehrlich nach konstruiertem Humbug an, »hanebüchen« wie Patrick sagen würde.
»Sicher?«, fragte ich vorsichtig.
»Sicher! Natürlich ... kannst du ruhig glauben. Ach, Valerie …!«, Der Hauch eines warmen
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