Spademan: Thriller (German Edition)
mehr sein. Sämtliche Regale wurden rausgerissen und durch Servertürme ersetzt. Die Arbeitstische hatten sie gegen Betten ausgetauscht. Das Ganze war ein exklusiver Boxenstopp, bei dem man pro Stunde zahlte und dessen Hauptklientel Touristen waren. Zumindest damals, als es in New York noch Touristen gab.
Mark lief zwischen den Betten umher und überwachte die Leute beim Träumen. Auf seinem Kopf ein engelsgleicher Wust von Locken.
Ich trat hinter ihn. Mein Plan war, ihn dazu zu überreden, einen etwas intimeren Ort aufzusuchen.
Er drehte sich um.
Tja, Sie haben mich tatsächlich gefunden. Das ging aber schnell.
Derselbe Minnesota-Akzent. Absolut unverwechselbar.
Wir hockten uns auf die Treppe vor dem Eingang und betrachteten die Löwen.
Ich erledige keine Selbstmordaufträge.
Warum nicht?
Wenn Sie sich umbringen wollen, dann tun Sie’s verdammt noch mal selbst. Das ist eine Sache zwischen Ihnen und Ihrem Gott.
Ja, das ist es wohl.
Er saß nach vorn gebeugt da, Ellbogen auf die Knie gestützt. Breites Kreuz. Ein junger Bursche. Verdammt hübsch, soweit ich so was beurteilen konnte. Schwer zu begreifen, warum er nicht mehr leben wollte.
Er hielt die Handflächen flach gegeneinandergepresst, als wolle er jeden Moment zu beten anfangen.
Ich verstehe, dass Sie diese Regel haben. Aber mein Problem ist: Ich kann es nicht selbst tun.
Warum?
Todsünde.
Sind Sie katholisch?
Nein. Evangelikal.
Dann müssen Sie sich doch keine Sorgen machen.
Er drehte sich zu mir.
Sind Sie gläubig?
Nein.
Und waren es auch nie?
Meine Eltern haben mich als Kind ein paarmal zur Sonntagsschule geschleift, hauptsächlich um ihre Ruhe vor mir zu haben. Und sie selbst versuchten, sonntags weniger zu streiten. Oder dabei zumindest etwas leiser zu sein. Das war’s dann aber auch schon.
Verstehe.
Mein Vater ist zum Beten ins Stadion der New York Jets gegangen. Der heilige Namath und so weiter.
Und Sie gerieten nie in Versuchung?
Gläubig zu werden?
Ja.
Das ist nicht die Art von Versuchung, über die ich mir Sorgen machen muss.
Ich war mal Pastor in Minnesota. Dort hab ich gelegentlich einen Vortrag über die Versuchung gehalten. Oder zumindest dachte ich, es ginge darum.
Und wovon handelte Ihr Vortrag?
Kennen Sie die Geschichte von Batseba?
Eines Tages, es war schon gegen Abend, erhob sich David von seiner Mittagsruhe und ging auf der Dachterrasse seines Palastes auf und ab. Da fiel sein Blick auf eine Frau, die sich gerade mit Wasser übergoss. Sie war sehr schön.
Mark klärte mich auf. Damals in Israel, in biblischen Zeiten, war Batseba eine Frau, die König David von seinem Dach aus heimlich beobachtete, während sie nackt badete. Er sah sie und wurde von heftiger Begierde gepackt.
Von heftiger Begierde gepackt. Nicht meine Worte. Sie stammen von Mark. Oder aus der Bibel. Oder von Gott.
Wie auch immer.
Von heftiger Begierde gepackt.
Also ließ David sie zu sich bringen. Er schlief mit ihr. Schwängerte sie. Doch das Problem war, dass Batseba bereits verheiratet war. Mit Urija dem Hetiter. Der war nicht nur einer von Davids engsten Freunden, sondern auch General in König Davids Armee. Aber das bremste David kein bisschen. Vielmehr brachte es ihn auf eine Idee. Die er wiederum dem Kommandeur der Armee mitteilte.
Stellt Urija an die vorderste Front, wo der Kampf am härtesten ist, und zieht euch dann hinter ihn zurück, dass er getroffen wird und stirbt!
Mark hielt in seiner Geschichte inne.
Ich habe diese Bibelstelle immer wieder mit meinen Schülern und Studenten erörtert. Zuerst hab ich ihnen das beigebracht, was ich selbst in der Bibelschule gelernt hatte. Dass es keine Geschichte über Lust oder Machtmissbrauch ist, sondern eine der Versuchung. Sie wissen schon, Gott führt Sie bewusst in Versuchung. Er konfrontiert Sie mit Ihrer eigenen Schwäche, damit Sie sie überwinden. So wie es Jesus hier auf Erden widerfuhr. Der Teufel legte Christus die ganze Welt zu Füßen und versprach sie ihm, wenn er nur das Knie vor ihm beugte. Aber Jesus wurde nicht schwach. Und auch wir spüren diese Versuchung. Ob es der Apfel im Garten Eden ist oder das Verlangen, sich umzudrehen und Sodom hinter sich einstürzen zu sehen. Oder eben der Blick auf die schönste Frau Israels, die nackt auf einem Dach badet. Ich bin mir sicher, auch Sie haben eine geheime Versuchung. Irgendeine verborgene Sünde.
Ich dachte an den Plastikbeutel in meinem Gefrierfach, während Mark auf eine Antwort wartete, die nicht kam.
In Ordnung.
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