Spademan: Thriller (German Edition)
Betten. Keine von der schnieken Sorte. Nicht wie das von Lyman. Stattdessen notdürftig zusammengebastelte, spartanische Pritschen mit Kabeln dran. Nährlösungsbeutel muss sich jeder selbst mitbringen. Die meisten hier legen ohnehin keinen allzu großen Wert auf Nahrung.
Der von Mark bevorzugte Schlafsaal nennt sich Rick’s Place. Er gehört einem Typen namens Rick. Der Name soll eine Verneigung vor Casablanca sein, wenn auch völlig falsch übersetzt.
Wir treten ein.
Rick ist um die vierzig, hat sich aber ältergeraucht. Er ist Halbchinese, dünn wie eine Pferdepeitsche und trägt an jedem Finger und an beiden Daumen silberne Totenkopfringe. Seine schwarz schimmernde Haartolle ist auf eine imposante Höhe getrimmt, und sein Gesicht zieren vier Tattoos. Chinesische Schriftzeichen. Stirn, Wange, Wange, Kinn.
Um Ihrer nächsten Frage gleich zuvorzukommen – ich hab ihn nie nach ihrer Bedeutung gefragt.
Er zieht an seiner Zigarette. Die Glut leuchtet hell auf.
Mr. Müllmann. Lange nicht gesehen. Hast du beschlossen, wieder in die Sphäre zu reisen?
Hallo, Rick.
Ich sag dir was. Ich mach dir ein Angebot – zwei zum Preis von einem. Für dich und deine – Freundin? Tochter? Sponsorin? Weißt du was? Vergiss die Frage einfach.
Er mustert Persephone eingehender.
Wie ich sehe, darf man gratulieren. Spademan kriegt einen kleinen Ableger. Ich sag dir was. Heute absoluter Spezialpreis. Kinder reisen umsonst.
Persephone ist verdutzt.
Woher weißt du –?
Hey, ich bin Chinese. Ich kann das an den Sohlen deiner Füße ablesen.
Ricks asiatische Freundin Mina kommt aus einem Hinterzimmer gestolpert. Wie Rick ist sie ein echter Tüftler, ein Technikfreak, und sie nennt sich selbst Mina Machina. Langes schwarzes Haar und das typische abwesende Starren, denn anders als Rick ist sie eine ernsthafte Limno-Userin.
Wir beide sind nie wirklich gut miteinander klargekommen.
Sie fixiert mich, will etwas sagen, deutet auf mich, vergisst es wieder und döst dabei halb ein. Dann dreht sie sich um und verschwindet murmelnd durch eine mit einem Vorhang verhängte Tür, um dort nach etwas anderem zu suchen, von dem sie vergessen hat, dass sie sich daran erinnern wollte, es nicht zu vergessen.
Rick zuckt mit den Achseln.
Was soll ich sagen? Seelenverwandte.
Rick, ich suche nach Mark Ray.
Er nimmt einen weiteren Zug. Aus seinem Mund steigt ein dünner Geist aus Rauch.
Klar doch. Natürlich. Wer sucht nicht nach Mark Ray? Unser kleiner Engel. Und ich vermute, deine Suche hat dich ohne Umwege direkt hierhergeführt.
Der Schlafsaal ist dunkel und totenstill. Ein ehemaliger Ausbeuterbetrieb, jetzt ein Einklinkbetrieb, angelegt wie ein Feldlazarett. Reihe um Reihe von Liegen und ein paar müde aussehende chinesische Krankenschwestern, die Pulsfrequenzen kontrollieren.
Hier und da gibt ein Schläfer einen gedämpften Schrei von sich. Schwer zu sagen, ob es Freuden- oder Angstschreie sind. Oder beides. Eine zwiespältige Harmonie.
Rick beugt sich zu mir vor.
Lass mich das machen. Mark hat einen verdammt festen Schlaf.
Er schlängelt sich zwischen den Liegen hindurch. Entdeckt Marks goldene Lockenpracht.
Persephone schaut sich mit großen Augen um.
Ich flüstere.
Ich wette, so was hast du damals in Kansas nicht zu Gesicht bekommen.
Ich bin nicht aus Kansas.
Weiß ich. Aber trotzdem.
Doch, hab ich. Ich hab so was schon mal gesehen.
Sie betrachtet weiter den Raum, ohne mich eines Blickes zu würdigen.
Genauso sieht das Camp meines Vaters aus.
Was?
Gepflastert mit Gold.
Dann sagt sie noch etwas mit leiser, heiserer Stimme. Mehr zu sich selbst. Wie ein Witz.
Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen .
Ich flüstere.
Was ist das? Ein Bibelvers?
Nein. Ein Werbeslogan.
14
Mark Ray war früher Jugendseelsorger in einer Kirche in Minnesota. Wir haben uns vor ein paar Jahren kennengelernt, als jemand mich angerufen und mir einen Auftrag angeboten hat.
Also, wie funktioniert das?
Ich brauche nur einen Namen.
Meinen Namen?
Nein. Ihren Namen will ich nicht wissen. Sofern Sie mir das Geld pünktlich überweisen. Ich benötige nur den Namen der anderen Person. Den des Empfängers sozusagen.
Und das ist alles?
Das ist alles.
In Ordnung.
Also, der Name?
Mark Ray.
Der starke Minnesota-Akzent des Anrufers war schwer zu überhören.
Ich spürte Mark im Lesesaal der großen öffentlichen Bibliothek im Bryant Park auf, die mit den Steinlöwen vor dem Eingang.
Allerdings kann von einem Lesesaal inzwischen keine Rede
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