Spademan: Thriller (German Edition)
Pisseschläuchen zu hantieren. Schläuche, die rein- und wieder rausführen, Highways für den Berufsverkehr des menschlichen Körpers. Und danach fahren die Margos dieser Welt mit dem Bus wieder zurück nach Hause, um sich die Ereignisse des Tages im Fernsehen anzuschauen. Oder um den Ereignissen des Tages zu entfliehen.
Die Sache mit Margo ist die: Sie ist vermutlich die Krankenschwester mit dem ungesündesten Lebenswandel aller Zeiten. Sie ist Kettenraucherin, extrem übergewichtig und muss ständig schnaufend nach Atem ringen.
Andererseits erklärt sie einem gerne, dass das Berufsbild Krankenschwester heutzutage nur noch wenig mit Gesundheit zu tun hat.
Sie öffnet sich ein Bier und ein zweites für mich, dann stellt sie die Flaschen auf den Couchtisch zwischen uns, als wollten wir mit zwei Figuren Schach spielen. Mir fällt auf, dass bereits jede Menge leere Flaschen im Spülbecken Spalier stehen. Und ich glaube, der Grund dafür ist nicht, dass hier vor Kurzem eine Dinnerparty stattgefunden hat.
Sie bemerkt, wie ich ihr Leergut mustere.
Der Glascontainer ist voll. Also, was führt dich nach Hackensack?
Ich wollte nur mal sehen, wie’s dir so geht.
Das ist ja eine merkwürdig sentimentale Regung, nach acht Jahren plötzlich wieder hier aufzutauchen.
Tut mir leid. Ich hatte viel um die Ohren. Du weißt schon, die Stadt.
Ehrlich? Was hattest du denn um die Ohren?
Einfach die Stadt eben. Die hält einen auf Trab.
Na ja, ist jedenfalls schön, dich zu sehen.
Margo, hast du eigentlich je daran gedacht, wieder in Stadtnähe zu ziehen? Es gibt jede Menge freie Wohnungen in Hoboken. Und sogar in der Park Avenue, wenn man die Gegend vorzieht.
Sie blickt mich an, als hätte ich sie gerade gefragt, ob sie je daran gedacht hätte, das Klempnern aufzugeben und gleich in die Kanalisation zu ziehen.
Also gehe ich gleich zur nächsten Frage über.
Wie schlägst du dich so durch? Es tut mir wirklich leid, dass ich dich nicht schon früher besuchen gekommen bin.
Nun, wenn du gekommen wärst, hätte ich dir gesagt, dass es mir sehr leid getan hat, vom Tod deiner Frau zu hören.
Danke.
Wir stoßen mit den Flaschenhälsen an.
Sie war ein hübsches Mädchen. So eine Schande. Was diese Typen getan haben.
Ich stimme ihr zu.
Es ist wirklich eine Schande, was aus diesem Land geworden ist.
Gespräche mit Margo arten schnell in wütende Tiraden aus. Sie ist nicht mehr ganz der glückliche, schnaubende Bulle, an den ich mich aus meinen Küchentischtagen erinnere. Sie ist noch dicker geworden und wirkt erschöpft. Ich bin immer davon ausgegangen, dass sie eines Tages alle Menschen auf der Welt ausreichend beschimpft haben wird, bis am Ende nur noch sie selbst übrig bleibt. Und das war’s dann.
Ich höre ihr noch ein bisschen zu, lasse sie langsam runterkommen. Dann will ich ihr erklären, dass ich eine Krankenschwester für einen Job brauche, doch sie schneidet mir sofort das Wort ab.
Muss ich bei diesem Job einem reichen Mann, während er träumt, die Windeln wechseln?
Nein.
Sie trinkt einen Schluck.
In Ordnung. Dann bin ich dabei.
Margo bietet mir ihre Couch für die Nacht an, aber ich erkläre ihr, dass ich noch dringende Geschäfte in der Stadt zu erledigen habe. Dann verabschiede ich mich und erwische gerade noch den Nachtbus in Richtung Port Authority.
Ein paar Stationen weiter steige ich wieder aus.
Ich mache einen kleinen Umweg.
Hoffe, dass ich dadurch meinen Kopf freikriege.
Die Kampagne wird also in weniger als einer Woche starten. Die Eröffnungsveranstaltung ist für Sonntagnacht geplant. Der Bürgermeister hat versprochen, dass die Camps bis dahin geräumt sein werden. Stolz verweist er auf die Nachrichten, in denen man abgemagerte Jugendliche aus dem Central Park stolpern sieht, die um Almosen betteln, von den Gaffern verspottet werden und anschließend mit Handschellen gefesselt abtransportiert werden. Niemand weiß genau, wie die Anklage gegen sie lautet oder wo sie hingebracht werden. Gerüchte besagen, dass man sie in den Norden des Staates schafft. Andere Gerüchte besagen, sie kommen nach Fresh Kills. Wieder andere Gerüchte besagen, dass es am besten ist, nicht auf diese Gerüchte zu hören, wenn man die Wahrheit nicht aus erster Hand erfahren will.
Der zweite Bus setzt mich in Hoboken ab.
Es gibt Zeiten, Zeiten wie diese, da vollziehe ich gewisse Rituale.
Zur Erinnerung.
Es gibt Dinge, an die ich mich von Zeit zu Zeit erinnern muss.
Sie haben für niemand anderen eine Bedeutung.
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