Späte Heimkehr
einen spielerischen Knuff in die Seite. »So, jetzt wird es aber Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen. Vielen Dank für Ihre Gesellschaft.«
Er begleitete sie zur Praxis zurück, und als sie sich bei ihm bedankte, sagte er: »Ich habe übrigens noch ein paar Sachen in der Stadt zu erledigen, die etwas länger dauern. Soll ich Sie später mit zurücknehmen?«
»Ach was, mit dem Bus bin ich ganz schnell zu Hause. Trotzdem danke.«
»Aber ich würde mich über Ihre Gesellschaft freuen. Sie würden mir einen Gefallen tun. Rufen Sie doch beim Busunternehmen an und sagen sie dort, dass sie heimgebracht werden, damit die Kleinen den Bus nicht wegen Ihnen warten lassen. Bitte, Abby.«
Sie spürte, wie ihr Widerstand schwächer wurde. Was konnte schon passieren? Sie fühlte sich wohl mit ihm. »Okay, Barney. Das ist sehr nett.«
»Kurz nach vier warte ich auf Sie.«
Es wurde eine vergnügliche Rückfahrt. Beide waren entspannt und locker. Sie kamen schnell ins Plaudern und lachten viel. Als Barney sie gerade mit einer lustigen Anekdote über seinen ersten Arbeitstag in Sydney unterhielt, wurde Abby plötzlich bewusst, dass sie sich noch nie mit jemandem so wohl gefühlt hatte. An und für sich hätten sie eine Art Barriere spüren müssen, die das ungeschriebene Gesetz ihrer jeweiligen gesellschaftlichen Stellung in der Stadt zwischen ihnen errichtete. Jemand aus Barneys Kreisen verkehrte nicht auf gleicher Stufe mit einem Mädchen wie Abby, so hübsch und witzig sie auch sein mochte. Natürlich gab es freundschaftliche Beziehungen unter Gleichaltrigen, und man ging höflich und zivilisiert miteinander um, aber ernsthafte Beziehungen knüpfte man nur innerhalb der eigenen Klasse.
Aber haben wir denn überhaupt eine Beziehung?, fragte sich Abby. Nein, natürlich nicht. Sie waren nichts weiter als zwei junge Menschen, die freundschaftlich miteinander verkehrten. Gleichzeitig wusste sie aber, dass sie sich mit jedem anderen jungen Mann vergleichbarer Herkunft unwohl gefühlt hätte. Barney war anders. Sie fühlte sich zu ihm hingezogen und spürte sogar eine Art von Seelenverwandtschaft mit ihm. Aber dann beschloss sie, ihre Empfindungen nicht zu hinterfragen, und entspannte sich wieder.
Barney hatte ähnliche Gedanken. Abby war so ungekünstelt, so natürlich und unbefangen. Er spürte, dass sie aufrichtig war und nicht mit anderen Menschen spielte. Ihre Frische bezauberte ihn, und zum ersten Mal hatte er das Gefühl, er selbst sein zu können. Es war ein berauschendes Gefühl.
Beide waren glänzender Laune, als Abby ihm vom Gartentor aus zum Abschied zuwinkte und sich dann umdrehte, um Kevin nachzujagen, der gerade nach Hause gekommen war und Barney beim Davonfahren einen lauten Pfiff nachschickte.
Abby und Barneys gemeinsam verbrachte Mittagspause und ihre gemeinsame Heimfahrt blieben nicht unbemerkt. Dank zahlreicher Telefongespräche und der Bemühungen einiger unermüdlicher Klatschmäuler war noch vor Sonnenuntergang nahezu die gesamte Stadt über ihre Begegnung unterrichtet.
Shannon Pemberton erfuhr die Neuigkeit von einer Freundin aus der Stadt, die es kaum erwarten konnte, ihr als Erste brühwarm davon zu erzählen. Shannon tat unbeeindruckt: »Du kennst Barney doch, er ist zu anderen immer so nett …« In Wirklichkeit war sie stocksauer und fand innerhalb weniger Tage einen Grund, nach Amba hinüberzureiten.
Barney begrüßte sie herzlich und musterte interessiert ihr Pferd. »Na, wie geht es unserer angehenden Springreiterin?«, fragte er gut gelaunt und bückte sich dann, um mit Kennermiene die Hand über eines der Beine des Pferdes gleiten zu lassen.
»Eigentlich ganz gut, bis ich erfuhr, dass du mit deinem eigenen kleinen Turnierpony in der Stadt herumstolzierst«, erwiderte sie scheinbar scherzhaft, doch der scharfe Unterton in ihren Worten war nicht zu überhören. Barney fuhr zusammen und drehte sich mit einem Ruck zu ihr um.
»Was hat das zu bedeuten, Barney?«
Barney sah sie verdattert an. Dann begriff er mit einem Mal, dass sie von Abby sprach, und sein Mund und seine Augen nahmen einen harten Ausdruck an. »Hör mal, Shannon, was ich tue oder nicht tue, ist ganz allein meine Sache.«
»Leider betrifft diese Sache mich ganz genauso, Barney. Wie sieht das denn aus? Ich lasse mich nicht gern so behandeln. In den Augen der Leute gehören du und ich schließlich zusammen.«
»Das sehe ich aber nicht so. Ich finde dein Benehmen ziemlich schwach, Shannon. Wir beide sind befreundet, aber
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