Späte Schuld
lediglich der Internetanbieter des Absenders.«
»Vielleicht hat die Person sie ja genau daher. Aus dem Wide Access Network Ihrer Firma.«
»Glauben Sie, jemand von Levine und Webster …?«
»Wenn der Hacker sich Zugang zum Firmennetzwerk verschafft hat, konnte er sich dort vielleicht Ihre MAC-Adresse besorgen, vorausgesetzt Sie benutzen den Laptop bei der Arbeit. Hat irgendjemand außer Ihnen Zugang zu Ihrem Computer?«
Andi zögerte. Über die Antwort auf diese Frage wollte sie lieber nicht nachdenken. »Gene kennt sich nicht genug aus, um so etwas zu machen.«
»Gene?« Er klang überrascht.
Ihr fiel ein, dass er ja gar nicht wusste, was letzten Mittwoch passiert war. Außer ihr glaubten alle, dass Gene kein Motiv hatte. »Sie hat Zugang zu meinem Laptop … manchmal. Aber in letzter Zeit nicht.«
»Und Sie haben ja bereits gesagt, dass sie gar nicht wüsste, wie man eine MAC-Adresse vortäuscht. Außerdem hat sie kein Motiv.«
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Andi.
»Na ja, gehen wir mal von dem verrückten Szenario aus, dass sich tatsächlich jemand vorübergehend Zugang zu Ihrem Laptop verschafft und eine Datei des Newton-Falls aus der Datenbank heruntergeladen hat.«
»Und weiter?«
»Dann müsste diese Person doch verräterische Spuren auf Ihrem Computer hinterlassen haben.«
»Natürlich, das ist es!«
»Ich schlage vor, dass Sie Ihren Laptop unter die Lupe nehmen, sobald Sie wieder in der Kanzlei sind. Lassen Sie mich wissen, was Sie dort finden.«
»Mach ich. Danke, David.«
Sie steckte das Handy ein und merkte, dass Alex sie fragend ansah.
»Gute Neuigkeiten?«
»Vielleicht … aber nur vielleicht.«
Dienstag, 1. September 2009 – 11.05 Uhr
Zwanzig Minuten später waren sie in der Kanzlei. Alex hatte beschlossen, Andi nicht sofort über die Gründe ihrer Verhaftung auszufragen, sondern erst abzuwarten, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Ihre angeregte Unterhaltung mit David hatte sie ein wenig aufgemuntert, aber als er nachgehakt hatte, hatte sie sich geweigert, Einzelheiten zu nennen. Er spürte, dass sie das Schicksal nicht herausfordern wollte, indem sie vorzeitig darüber redete. Sie würde das schon noch tun.
Also saß Andi nun allein in ihrem Büro und suchte die Festplatte ihres Laptops nach Spuren der Downloads von der DNA-Datenbank ab. Auch die gelöschten Dateien überprüfte sie. Wenn Lannosea es tatsächlich geschafft hatte, sich mithilfe ihres Computers in die Datenbank einzuloggen und eine Datei herunterzuladen, dann musste der »Schatten« dieser Datei immer noch irgendwo im System sein, auch wenn sie sie hinterher gelöscht oder überschrieben hatte.
Andi musste die Datei finden.
Datei für Datei, gelöschte Datei für gelöschte Datei suchte sie die Festplatte ab und stieß schließlich auf etwas, bei dem sie vor Schreck die Augen weit aufriss: eine Datei mit dem Namen EliasClaymore.dna und eine weitere mit dem Namen nagelmittelfinger.dna. Nachdem sie beide näher untersucht hatte, machte sie eine sehr interessante Entdeckung: Die Datei nagelmittelfinger.dna war lokal auf ihrem Computer erstellt worden, wohingegen die Datei EliasClaymore.dna heruntergeladen worden war.
Als sie weiter die gelöschten Dateien durchstöberte, fand sie den Schatten einer zweiten heruntergeladenen Datei, die ebenfalls nagelmittelfinger.dna hieß. Diese Datei war etwa gleichzeitig mit EliasClaymore.dna heruntergeladen und dann gelöscht worden. Daraus schloss Andi, dass Lannosea die Elias-Claymore-Datei heruntergeladen hatte, um eine gefälschte Nagelproben-Datei zu erstellen. Aber warum hatte sie auch die echte Nagelproben-Datei heruntergeladen, wenn sie doch ohnehin vorgehabt hatte, sie auf dem DNA-Server mit einer gefälschten Datei zu überschreiben?
Vielleicht, weil sie die Metadaten aus ihrer Kopfzeile für die Erstellung der gefälschten Version gebraucht hatte. Vielleicht hatte Lannosea aber auch ursprünglich vorgehabt, mithilfe der echten Fingernagelprobe die Referenzprobe von Elias Claymore zu fälschen, und sich erst später anders entschieden.
Andi beschloss, die gefälschte Nagelproben-Datei mit der gelöschten und inzwischen wiederhergestellten Datei zu vergleichen, von der sie ausging, dass es die echte war.
Was sie dabei entdeckte, ergab keinerlei Sinn. Die aus der Datenbank heruntergeladene und gelöschte Originaldatei entsprach haargenau der neuen Datei, die Lannosea erstellt hatte.
Warum hatte sie die Datei mit einer völlig identischen Kopie
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