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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld
Autoren: David Kessler
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dass er die Bequemlichkeit eines amerikanischen Gefängnisses den schwierigen Verhältnissen in einer Dritte-Welt-Diktatur vorzieht.«
    Alex kochte vor Wut. »Euer Ehren, jeder, der glaubt, ein Gefängnis sei ein bequemer Ort, sollte ein paar Nächte in einem solchen verbringen.«
    »Ein Gefängnis soll auch gar nicht bequem sein«, erklärte der Richter feierlich. »Sonst fühlen sich die Insassen zu wohl und kommen immer wieder.«
    Erneut brachen die Zuschauer in Gelächter aus.
    »Worauf ich hinauswill, Euer Ehren, ist, dass das Gericht bei seinem Urteil den neuen Elias Claymore berücksichtigen sollte, nicht den alten«, wiederholte Alex mit wachsendem Ärger.»Seine Flucht gehört genauso der Vergangenheit an wie sein Vorstrafenregister.«
    »Diesen Punkt wird die Anklagevertretung mit Sicherheit anzweifeln. Letztlich liegt die Entscheidung bei den Geschworenen«, sagte der Richter in weltverdrossenem Ton. »Was die Fluchtgefahr angeht, bin ich allerdings bereit, die Argumentation der Verteidigung anzuerkennen. Die Tatsache, dass Mr Claymore in die Staaten zurückgekehrt ist, um seine Strafe zu verbüßen, spricht eindeutig für ihn, genauso wie seine Wurzeln in der Gemeinde. Andererseits muss ich auch die Schwere der ihm zur Last gelegten Tat im Blick behalten und den Umstand, dass Mr Claymore diese Art von Verbrechen bereits vorher begangen und sich seiner rechtmäßigen Freiheitsstrafe durch Flucht entzogen hat.«
    Alex und die Staatsanwältin warteten schweigend ab, bis der Richter seine Entscheidung getroffen hatte.
    »In meinen Augen wiegt die Vorgeschichte des Angeklagten, was das Thema Flucht angeht, schwerer als alle anderen Faktoren. Die Freilassung auf Kaution wird daher abgelehnt.«
    Alex war sauer. »Wenn das so ist, besteht mein Mandant auf seinem Recht auf ein schnelles Verfahren.«
    »Dieses Recht steht ihm zu, Mr Sedaka. Ich setze die Vorverhandlung in vierzehn Tagen im Gerichtssaal zwölf an.«
    Im Allgemeinen sind Anwälte eher zu einem späten Prozessbeginn bereit, wenn ihr Mandant sich gegen Kaution auf freiem Fuß befindet. Alex hatte gleich zwei Motive für seine Weigerung, auf ein beschleunigtes Verfahren zu verzichten: erstens, um Druck auf die Staatsanwaltschaft und damit indirekt auch auf den Richter auszuüben und sie so dazu zu bringen, die Kautionsfrage noch einmal zu überdenken. Und falls sie die Freilassung auf Kaution dann immer noch verweigerten, wollte er zweitens nicht, dass sein Mandant lange im Gefängnis sitzen musste. Haftanstalten sind immer eine unsichere Umgebung, aber für einen Mann, der in der schwarzen Gemeinde als »Onkel Tom« verschrien war, war es besonders gefährlich. Claymore würde von schwarzen und weißen Insassen gleichermaßen unter Beschuss genommen werden.
    Ob eine der beiden Seiten wirklich so weit gehen würde, ihn umzubringen, stand auf einem anderen Blatt, aber es war fast unmöglich, ihn vor Prügelattacken zu schützen. Clay-more war nur dann in Sicherheit, wenn er um Unterbringung abseits der normalen Häftlinge bat. Aber dann würde er in einem Spezialtrakt untergebracht werden, zusammen mit den Sexualverbrechern und Kinderschändern. Alex konnte sich nicht vorstellen, dass Claymore das erstrebenswert fand. So wie er seinen Freund kannte, würde der versuchen, es auszusitzen – bis irgendwann etwas passierte. Was das betraf, konnte Alex seinem Mandanten also keinen befriedigenden Rat geben. Claymore würde seine Entscheidung allein treffen müssen.
    Nachdem sie sich kurz flüsternd beraten hatten, wurde Claymore ins Bezirksgefängnis abgeführt, das sich im selben Gebäude befand.
    Auf dem Weg aus dem Gerichtssaal wurde Alex von einem würdevollen grauhaarigen Mittsechziger angesprochen, der ihm steif seine Visitenkarte reichte.
    »Ich bin Arthur Webster von Levine und Webster.«
    »Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr Webster«, erwiderte Alex angespannt. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Gehen wir doch ein Stück zusammen«, schlug Webster vor und wies zum Seiteneingang des Gerichtsgebäudes. Alex leistete seiner Aufforderung gern Folge, auch wenn ihn das zwischen Verlegenheit und herablassender Arroganz schwankende Auftreten des Mannes befremdete.
    »Ich muss wohl zunächst erklären, dass wir die hier in Los Angeles ansässige Vertragskanzlei des Fernsehsenders sind, der Mr Claymores Talkshow ausstrahlt. Außerdem arbeiten wir eng mit SoCal Insurance zusammen, der Versicherungsgesellschaft, bei der Mr Claymore seine Haftpflichtversicherung
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