Spaghetti in flagranti
Immerhin war er mir in den Rücken gefallen und hatte sich auf Lauras Seite geschlagen.
Ehe ich das Licht auf meinem Nachttisch ausschaltete, warf ich einen allerletzten Blick auf das Display meines telefonino .
Nichts.
Der Stern am Himmelszelt über meinem Bett leuchtete mir penetrant entgegen, und ich kniff fest die Augen zusammen, damit ich ihn nicht ansehen musste.
Mir doch egal, wenn Otto sich nicht meldet, sagte ich mir trotzig. Ich kann mich auch ohne diesen bayerischen Betonschädel amüsieren. Und zwar prächtig.
12.
Von Otto hörte ich auch in den nächsten Tagen nichts. Dafür schickte mir Gianmarco eine SMS nach der anderen, machte mir unaufhörlich Komplimente und präsentierte sich von seiner Schokoladenseite. Das minderte meine Sehnsucht nach dem deutschen Kommunikationsallergiker in keiner Weise und war dennoch Balsam für meine geplagte Seele. Mein Ego konnte durchaus ein paar Streicheleinheiten in Form von erhöhter Aufmerksamkeit vertragen und war dabei zugegebenermaßen im Hinblick auf den Absender nicht wirklich wählerisch. Bisher hatte ich Gianmarco gegenüber nicht erwähnt, dass ich einen Freund hatte, aber ich wollte nichts überstürzen und wartete noch auf den richtigen Moment. Der würde garantiert bald kommen, da war ich mir sicher.
Babbo verlor kein Wort mehr über unseren unschönen Streit und den Vorwurf, den ich ihm gemacht hatte. Allerdings beschränkte er die Kommunikation mit mir auf das Notwendigste, und wir gingen uns gezielt aus dem Weg. Wenn die ganze Familie zum Essen in der Küche zusammenkam, redeten wir völlig normal, wenn nicht gar ungewohnt höflich über unverfängliche Themen. Otto und nonnas Vergiftung jedoch wurden, ohne dass einer von uns es ausgesprochen hätte, zu Tabuzonen erklärt. Mamma plapperte dafür umso engagierter, und auch die Zwillinge hatten viel zu erzählen, so dass es gar nicht weiter auffiel.
Aber ich war in diesen Tagen ohnehin kaum zu Hause. Ich hatte mir die Stellenbörse vorgenommen, einige Firmen abtelefoniert und tatsächlich mehrere Einladungen zu Vorstellungsgesprächen ergattert. Es handelte sich ausschließlich um Aushilfsjobs im Büro, die alle nicht sonderlich spannend klangen, bis auf einen. Zwei junge Frauen, eine gelernte Erzieherin und eine Grundschullehrerin, die wie ich ohne feste Anstellung war, hatten sich mit einer cleveren Geschäftsidee selbständig gemacht und eine Kochschule für Kinder gegründet. Die beiden hatten so regen Zulauf, dass sie die Zahl der Kurse nach einem Monat verdoppelt hatten und mit den administrativen Aufgaben einfach nicht mehr nachkamen. Daher suchten sie dringend jemanden, der die Anmeldungen koordinierte, die Buchhaltung übernahm, die Korrespondenz erledigte und die Homepage aktuell hielt. Wir waren uns auf Anhieb so sympathisch, dass die beiden mich knapp eine Stunde, nachdem ich bei ihnen gewesen war, schon anriefen und fragten, wann ich anfangen könne.
Die gute Nachricht musste ich meinem Vater natürlich gleich unter die Nase reiben, und er war ehrlich beeindruckt.
Abends nach dem Essen schaute ich entweder noch kurz bei Vale vorbei oder ging zu meiner Großmutter hinauf, um mit ihr fernzusehen. Manchmal erzählte sie mir auch Geschichten aus ihrer Jugend. Ich konnte ihr stundenlang zuhören, und obwohl sich manches wiederholte, wurde mir nie langweilig dabei. Meist tranken wir noch einen Limoncello zusammen, von dem sie immer eine Flasche im Eisfach hatte. Natürlich erzählte ich ihr von meiner Auseinandersetzung mit babbo, und sie riet mir eindringlich, mich bei ihm zu entschuldigen.
»Sonst wird alles nur noch schlimmer, wenn Otto erst wieder nach Riccione kommt«, meinte sie mit gerunzelter Stirn.
Ich befürchtete, dass sie recht hatte, trotzdem wollte ich ihren Rat nicht befolgen.
Was den Umgang mit meiner frechen Schwester betraf, hatte Vale eine gute Idee. Sie empfahl mir, erst mal die Wogen zu glätten und abzuwarten. Laura hatte bisher den Mund gehalten und war erstaunlich handzahm. Nur wie lange noch?
»Du musst sie in Sicherheit wiegen, bis dir ein geeigneter Gegenschlag einfällt«, sagte meine beste Freundin.
Es war Samstagnachmittag, und wir lagen zusammen am Strand, um die erste Bräunungsstufe zu erreichen. Ich hatte extra die Sonnenmilch mit Lichtschutzfaktor zehn aus dem Schrank geholt, die für mich einem Sunblocker gleichkam, doch ich wollte kein Risiko eingehen. Ab dem dritten Sonnenbad verwendete ich ausschließlich ein Geheimrezept von meiner nonna :
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