Spaghetti in flagranti
ganz so leise. »Die hat mir noch nie weitergeholfen.«
Damit riss ich mich los, und Vale konnte dem drohenden Unheil nur noch ins Auge sehen, statt es abzuwenden. Bis sie mir hinterherkam, stand ich nämlich längst vor Otto und der unbekannten Schönen, mit einem Blick, der jedes Laserschwert in seine Einzelteile zerlegt hätte. Im Hinblick auf meine Zerstörungswut war ich vermutlich dem Spinosaurus aus Jurassic Park III nicht unähnlich.
Die Blondine erfasste die Situation sofort, denn sie schnappte sich ihre Handtasche und ergriff auf ihren mit Strasssteinchen besetzten Riemchensandalen die Flucht in Richtung Toilette, noch bevor ich den Mund aufmachen konnte. Otto und zio Gaetano, der von seinem Stuhl aufgesprungen war und neben mir fast mit Vale zusammengestoßen wäre, hoben beschwichtigend die Hände und fingen gleichzeitig an zu reden. Bisher hatte ich noch keinen Ton von mir gegeben.
Ehe ich vor geschätzten vierzig Zeugen einen Doppelmord an einem senilen Gigolo und seinem minderbegabten Schüler begehen konnte, schritt Vale ein. Buchstäblich in letzter Sekunde nahm sie mir den Aschenbecher aus der Hand, den ich im Laufen ergriffen hatte, und stellte ihn auf den Bistrotisch vor uns. Dann hakte sie mich unter und zerrte mich nach draußen.
Wehrlos ließ ich mich von ihr wegführen und hob sicherheitshalber das Kinn an, um meinen Abgang so würdevoll wie möglich zu gestalten. Bisher war so gut wie nichts passiert – ich hatte weder in der Öffentlichkeit hysterisch herumgeschrien oder vor halb Riccione einen Weinkrampf bekommen, noch war Blut geflossen. Nun gut, die Sache mit dem erhobenen Aschenbecher in der Hand mochte vielleicht etwas seltsam anmuten, aber es hätte auch eine spontane Tanzeinlage sein können. Oder so ähnlich.
Jedenfalls war ich meiner besten Freundin unendlich dankbar, dass sie mich aus dieser heiklen Situation gerettet hatte und alles so glimpflich abgelaufen war. Umso wütender war ich auf meinen Onkel und Otto, die uns beide wie zwei reuige Sünder auf ihrem Gang nach Canossa hinterherschlichen. Als sie uns nach wenigen Metern eingeholt hatten, platzte mir endgültig der Kragen. Da ich mich nicht entscheiden konnte, an wem ich mich zuerst abreagieren sollte, verpasste ich allen beiden eine Ohrfeige.
»Angela!« Das war Vale. »Nicht doch.«
Otto stand wie eine Figur aus dem Wachsfigurenkabinett da und rieb sich die schmerzende Wange.
Mein Onkel kam auf mich zu und legte mir eine Hand auf den Arm. »Tut mir leid, Angelina, das war allein meine Idee.« Er zupfte mich am Ärmel, doch ich schüttelte ihn ab. »Glaub mir bitte, ich sollte deinem Freund doch bloß …« Er brach ab, weil Vale ihm einen Blick zuwarf, den ich nicht deuten konnte.
Was die beiden nun wieder am Laufen hatten, war mir allerdings reichlich egal.
»Verdammt, zio , du brauchst nicht mal Alkohol, um peinlich zu sein. Du musst einfach nur du selbst sein.«
Otto schien seine Sprache wiedergefunden zu haben. »Mensch, Angela, jetzt mach doch kein Riesendrama daraus. Dein Onkel wollte mir nur ein paar seiner Tricks zeigen, und ich wollte kein Spaßverderber sein. Jetzt mach dich mal locker.«
Ich fuhr mit beiden Händen durch die Luft. »Locker machen? Dass ich nicht lache. Du weißt selbst, wie der Typ drauf ist.« Ich deutete auf meinen Onkel.
»Ich habe nur meine Männerpflicht getan«, sagte er und guckte mich dabei an, als könnte er kein Wässerchen trüben.
»Du bist ein waschechter Halunke«, brüllte ich ihn an. Dann wandte ich mich zu Otto um: »Und du bist ein Gefühlsinvalide!«
Völlig außer mir kickte ich gegen eine Coladose, die auf der Straße lag, und sie schepperte gut fünf Meter über den Asphalt. Ich hätte auch glatt die Tür des geparkten Kleinwagens am Straßenrand eingetreten, wenn Vale nicht zufällig davorgestanden hätte.
Otto machte einen Schritt auf mich zu und wollte mich in den Arm nehmen, doch ich stieß ihn so heftig weg, dass er gegen meinen Onkel prallte.
»Und jetzt verpisst euch. Ich will euch nie wieder sehen. Alle beide nicht!«
Ohne ein weiteres Wort setzten sie sich in Bewegung und schlichen die spärlich beleuchtete Seitenstraße entlang. Auch die Passanten, die stehen geblieben waren, um das kostenlose Spektakel nur ja nicht zu verpassen, konnten nun weitergehen.
Ich war gerade auf einen der Poller gesunken, die am Ende der Straße die Durchfahrt zur Strandpromenade verhinderten, und hatte mir von Vale ein Taschentuch geben lassen, da kam der Kellner
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