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Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Titel: Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan Anderson , Susanne Aeckerle
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unsere kleine Fahrt ausgelöst hat, hat uns den Schmerz genommen. Wir haben alles Starre hinter uns gelassen und werden für einige Zeit frei atmen können.

|119| Lebenserfahrungen
    Joan ist die Alte – na ja, fast. Sie betäubt ihren Kummer nicht, doch versinkt sie nicht darin, sondern geht über ihn hinaus, indem sie aktiv wird. Während sie an einigen von Eriks unvollendeten und unveröffentlichten Manuskripten arbeitet, vordringlich mit dem Ziel, das achte Stadium des Lebenszyklus zu revidieren und ein neuntes hinzuzufügen, blickt sie nicht länger stumm und verschleiert in die Welt, sondern klar und durchdringend.
    Um mit ihrer Arbeit erfolgreich zu sein, hat sie ihre alte Sekretärin aus dem Mittleren Westen kommen lassen, einen Computer gemietet und ihr kleines Haus in ein geschäftiges Büro verwandelt. »Ich bin dreiundneunzig«, erklärt sie, »nicht im Ruhestand, weder gelassen noch huldvoll, sondern begierig darauf, mehr über diese letzten Stadien herauszufinden, bevor es zu mühevoll wird.« Wie gewöhnlich möchte sie, daß ich genauso produktiv bin wie sie, und sie drängt mich dazu, über mein allein verbrachtes Jahr zu schreiben. Bei ihrem Drängen spielt natürlich die Vorstellung eine Rolle, daß wir Erfahrungen machen und sie miteinander austauschen. »Es geht nicht nur um dich, Liebes. Es geht darum, generativ zu sein und etwas zurückzugeben. In gewissem Sinne bist du privilegiert, weil du das Cottage hattest, in das du dich zurückziehen konntest, und einen Beruf, den du überall ausüben kannst. Ich habe gesehen, wie du mit deinen Freundinnen geredet hast und wie sie reagiert haben. Merkst du nicht, wie sich die Menschen nach der Wahrheit sehnen? Nichts in unserer Kultur ermutigt uns, aus der festgefügten Form auszubrechen. |120| Da du genau das getan hast, mußt du doch regelrecht Bände füllen können.«
    Sie hat leicht reden! Schließlich hat sie ihr Leben lang über ihre Entwicklung nachgedacht, während ich gerade erst zu experimentieren beginne. Es erweist sich als schwierig, Worte für mein allein verbrachtes Jahr zu finden, dessen Bedeutung für mich immer noch ungelöst ist. Ich sitze oben in meinem spartanischen Büro, klopfe mit dem Bleistift auf den Schreibtisch, während sie täglich seitenweise Theorie produziert, die ihre Sekretärin am Nachmittag abtippt. Zu sagen, ich sei eingeschüchtert, wäre eine Untertreibung. Da ich mich während des größten Teils meiner Schriftstellerei auf andere konzentriert habe, merke ich, daß es die absolute Hölle ist, die Richtung zu ändern und meine Geschichte in der ersten Person zu erzählen.
    Wenn ich nicht ins Leere starre, ruht mein Blick auf einem eher verspielten Chagall-Druck, der wackelig an einem Haken nicht weit von meinem Schreibtisch entfernt baumelt, zweifellos absichtlich dort von Joan hingehängt für genau solche Augenblicke, wenn sich mir Humor und Spielerisches entziehen. Sie hat auch ein Zitat von Erik an die Wand über dem Schreibtisch gepinnt:
»Es gibt gewisse Individuen, die, während sie ihre eigenen inneren Konflikte lösen, zu Paradigmen für größere Gruppen werden.«
    Das einzige andere hilfreiche Objekt, das mit mir in dieser isolierten Welt ausharrt, ist eine elektrische Schreibmaschine, erstanden beim Kirchenbasar. »Wir arbeiten beide den Morgen über«, sagt Joan, voller Eifer und guter Vorsätze, »und tauschen uns dann während des Mittagessens über das aus, was wir geschafft haben, bleiben locker und frei, Liebes, genießen die Frische unserer jeweiligen Ideen. Ich freue mich so, daß ich jemanden täglich um mich habe, mit dem ich etwas entwickeln kann.«
    Nach dieser letzten Bemerkung hätte ich fast meine Sachen zusammengepackt. Es ist eines, über das Handwerk des |121| Schreibens und die Wichtigkeit zu sprechen, sich neue Gedanken zunutze zu machen, und ganz was anderes, auf Knopfdruck Material zu produzieren – Lesbares, das sie auf eine andere Ebene transportieren könnte. Also sitze ich da und kritzele herum, stehe auf und schaue aus dem Fenster, setze mich wieder, notiere ein paar zusammenhängende Gedanken, gehe in ein anderes Zimmer und vertiefe mich in Bücher, die Joan in einem deckenhohen Bücherregal angesammelt hat, wobei mir ständig bewußt ist, daß ich die beste Zeit fürs Schreiben vertan habe – den Morgen, wenn der Verstand noch nicht die Kontrolle übernommen hat und Träume die einzige Ablenkung sind. Zum Glück schlägt die Uhr eins, und ich laufe nach unten, um unser

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