Speechless (German Edition)
meinen“, antwortete Raven gekünstelt ruhig.
Und es überraschte Cassiel, wie sehr ihn dieser Umstand selbst beruhigte.
Eneas war also nicht mit Darren zusammen. Die Sache, die ihn die letzten Monate am meisten beschäftigt hatte, fiel wie ein Kartenhaus einfach zusammen und irgendwie war da auch ein großer Stein, der ihm am Herzen haftete, gerade gefallen.
Nur warum, das konnte er sich nicht erklären…
„Aber auf der anderen Seite kann es dir grundsätzlich egal sein, was mein Bruder macht oder was er nicht macht“, klärte Raven Jenny kühl auf. „Keiner zwingt dich, mit ihm oder mit mir zu verkehren. Haben wir uns verstanden?“
„Dann hat er ja gleich noch eine Krankheit, die er behandeln lassen sollte“, brachte Rascal seine Meinung zu Tage und es klimperte nur leise.
Claire hatte ihre Tasse abgestellt und bedachte Rascal mit einem Blick, den Cassiel zuvor noch nie bei ihr gesehen hatte.
„Eine Krankheit ist das also in deinen Augen? Seit wann ist Liebe eine Krankheit?“, fragte sie ruhig und Cassiel war erneut von ihr überrascht. Diese dunkle Seite kannte er von ihr gar nicht… Dieser grauenvoll kalte Tonfall war ihm ebenso neu… „Dann muss deine Liebe zu Jenny ebenso eine Krankheit sein, nicht wahr?“
Oh mein Gott, ich wusste es, dachte Cassiel und fuhr sich leicht gestresst durch die Haare. Das hier war eine Nummer zu groß für ihn. Er kam mit all diesen Umständen nicht mehr klar.
Und es dauerte nicht lange, da wurde diese als kurz angedachte Diskussion zu einem Kleinkrieg.
Worte wurden einander zugeworfen und Beleidigungen getauscht. Selbst Raven beteiligte sich aktiv an dem Wortwechsel, während Cassiel selbst nur geschockt dasaß und versuchte, möglichst unbeschadet aus der Affäre herauszukommen.
Mit den Worten: „Ich koch noch einmal Wasser“, verschwand er in die kleine, abgegrenzte Küche und füllte den Wasserkocher mit Wasser, stützte sich auf der Küchenzeile ab und ließ den Kopf hängen.
Warum arteten diese Begegnungen von Jenny und Raven stets in einem halben Gemetzel aus? Er war es leid, immer zwischen diesen Fronten zu stehen, ohne selbst wirkliche Sympathie für Jenny zu empfinden. Und das letzte bisschen Vertrauen und Glauben, welches er in Rascals Verstand hatte, waren auch gerade schreiend über Bord gesprungen.
So hatte er sich diesen Nachmittag und Abend sicherlich nicht vorgestellt.
Für einen Moment hatte er die Augen geschlossen und versucht, die negativen Gedanken abzuschütteln, als jemand hinter ihm stand und ihm die Arme um die Taille schlang. Er fuhr zusammen und schlug sich beinahe den Kopf an den niedrig hängenden Küchenschränken ein, ehe er sich umdrehte und Eneas gegenüber stand.
„Oh mein… Eneas, was soll das? Schleich dich nicht so an!“, fuhr er ihn erschrocken an und fasste sich an die Stirn. Doch Eneas schenkte ihm nur einen entschuldigenden Blick und lächelte.
Er lächelte! „Ok, schon gut… Aber bitte … das nächste Mal gib wenigstens irgendwelche Geräusche von dir“, bat er ihn und stieß sich von der Küchenzeile ab.
Der Wasserkocher gab ein klackendes Geräusch von sich, ehe das Brodeln versiegte und Cassiel wollte diesen gerade von der Station nehmen und das Wasser in die Kanne gießen, als Eneas’ Hand seinen Oberarm fasste und ihn mit einer u nglaublichen Leichtigkeit zu sich zog.
Sein Blick fiel auf die Hand, die ihn festhielt und erst dann sah er in die blauen Augen des Älteren.
„Sag mal … seit wann trägst du eine Brille?“, wollte er wissen, als er die rötlichen Druckstellen auf der Nasenwurzel des Älteren erkannte.
Es folgten simple Handzeichen, die er bereits kannte und deuten konnte. Drei Wochen also, dachte er sich und nickte. Irgendwie konnte er sich nicht vorstellen, wie das bei Eneas aussehen sollte. Ein Nasenfahrrad…
„Kommst du mit rüber?“, wollte er wissen und strich die Hand von seinem Arm, welche Eneas gerade nicht für die Erklärung gebraucht hatte. Irgendwie war ihm Eneas Verhalten unheimlich.
Natürlich kannte er dessen extreme Verhaltensumschwünge bereits, aber diese Differenz zwischen dem gerade noch aggressiven und nun so handzahmen Eneas war definitiv unheimlich.
Nur Eneas schüttelte den Kopf.
Kann ich verstehen, ich will da auch nicht wieder hin, dachte er sich und stieß erneut ein Seufzen aus. Aus dem Augenwinkel bemerkte er die Hand Eneas’, die ihm andeutete, mit nach oben zu kommen.
Sollte er? Sollte er nicht?
Vielleicht ja.
„Ok, ich komm’
Weitere Kostenlose Bücher