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SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

Titel: SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Opitz
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Haben sie verstanden, warum er das macht? Oder haben sie ihn für einen esoterischen Spinner oder Aussteiger gehalten?
    Von einigen seiner Kollegen habe er Hohn und Spott ertragen müssen, erzählt Alex. Sie nannten ihn, wenn auch augenzwinkernd, »Höhlenmenschen« und witzelten, ob er seine Mails jetzt mit dem Toaster schicken würde.
    Â»Das Interessanteste für mich aber war, dass viele so was in mich hineingeheimnist haben. Die dachten, dass es ja die restlose Rundum-Erfüllung sein muss, ohne Internet zu leben. Natürlich war es das nicht. Es war ein Kampf. Zumindest für mich. Aber viele Leute fanden das Experiment auch total spannend. Sie haben mir dann von ihrer eigenen digitalen Klatsche erzählt und die in mich hereinprojiziert. Ich müsste jetzt eigentlich Lebensratgeber schreiben, den Leuten erklären, wie es geht.«
    Ertappt. Ich merke, dass ich ein bisschen rot werde. Denn auch ich habe ja während unseres Gesprächs ständig meine »digitale Klatsche« und mein Zeitproblem mit Alex’ Erfahrungen abgeglichen und versucht herauszufinden, wen von uns beiden ich jetzt bemitleidenswerter finde. Auch Alex beschreibt seinen Zustand vor dem Selbstversuch wie eine handfeste Sucht. Keine Sucht ohne einen ordentlichen Rückfall, denke ich mir insgeheim und frage mich, wie der wohl bei Alex ausgesehen haben mag? Oder hat er vielleicht doch keinen gehabt und ist inzwischen geläutert?
    Alex erinnert sich an zwei Rückfälle. Für den einen habe er nichts gekonnt, der sei beruflich bedingt gewesen. Aber der andere sei ihm peinlich, für den schäme er sich. »Da hat meine Frau abends zu mir gesagt: ›Du, ich hab kurz mal Mozilla auf deinem Computer installiert, mein Rechner ist abgestürzt. Du schaust ja eh nicht rein, oder?‹ Aber ich hab mich verhalten wie einer, der auf Entzug ist und dem man sagt: ›Da hinten steht übrigens der Bierautomat, aber du gehst ja nicht ran, oder?‹« An diesem Abend musste Alex am Computer einen Text für die Zeitung fertigschreiben, aber da habe immer wieder dieser Fuchs in seinem Blickfeld geleuchtet. Er habe mit sich gekämpft, erzählt er, und schließlich sogar noch das Dokument, an dem er gerade arbeitete, über den verlockenden Fuchs gezogen …« Aber irgendwann war ich im Netz und bin dann so durch meine Favoriten gesurft, eine Stunde oder so, zwanghaft«, sagt Alex. Hat er sich gut dabei gefühlt? »Absolut beschissen. Ich dachte, jetzt muss ich abbrechen. Also das war eine richtig demütigende Erfahrung, dass ich das nicht schaffe.«
    Ein Kollege von Alex steckt seinen Kopf zur Tür rein und lächelt wissend. Der analoge Zausel, wie Alex sich seit Beginn seines Versuchs gern selbst nennt, ist mittlerweile eine kleine Berühmtheit in den Fluren der SZ und auch darüber hinaus. Inzwischen ist er fast häufiger der Interviewte als der Interviewer.
    Mein Blick schweift aus der Fensterfront von Alex Büro. Wenn man aus dem neunzehnten Stock nach unten guckt, sieht man Bahngleise und eine Menge abgestellter S-Bahn-Züge. Sieht man in die Ferne, kann man an schönen Tagen bis in die Alpen schauen. »Ein tolles Panorama«, sagt Alex. Doch leider glotze er ja die meiste Zeit in den Bildschirm. Auf den Sesseln am Fenster, auf denen wir gerade sitzen und die er eigentlich für Momente der Muße und des Nachdenkens dorthin gestellt habe, habe er bisher so gut wie nie gesessen. Aber jetzt, wo Alex nicht mehr im Netz herumirrlichtern kann, sollte er doch eigentlich genug Zeit dafür haben, frage ich ihn. Ich merke, wie ich langsam ungeduldig werde. Irgendwie habe ich das dringende Bedürfnis nach einem Happy End. Ich will unbedingt auch noch etwas Positives mit nach Hause nehmen. Hat sich denn in der ganzen Zeit gar nichts getan bei ihm? Außer Entzugserscheinungen?
    Â»Doch. Klar. Es hat sich doch recht schnell ein Befreiungsgefühl eingestellt«, sagt Alex. Vermisst habe er sehr wenig. Er habe wieder sehr viel Zeitung gelesen. Nur das Schnelle fehle eben. Im Netz sei ja alles immer sofort da. Er habe auch die Mails nicht so sehr vermisst. »Ich bin nicht auf Facebook, war ich auch nie«, erzählt Alex, »aber ich maile exzessiv mit ein paar Freunden. Ich würde deshalb auch nicht sagen, dass durch das Mailen die Kommunikation stirbt, das halte ich für absoluten Unsinn. Ich habe so tolle Mailfreundschaften.« Einige seiner

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