Speichelfaeden in der Buttermilch
Letterman orientieren. Kurze, prägnante, gag-geladene Oneliner, Studiogelächter vom Band und Tusch von der Begleitband, die »Falschen Freunde« vielleicht. Nach Brüllern Doppeltusch. Applaus, Gelächter. Gegen Ende der Neujahrsansprache steht der Late-Night-Präsident vom Schreibtisch auf, macht zwei, drei lockere Tanzschritte und verweist auf die Sendung im nächsten Jahr. Tusch. Tusch. Doppeltusch. Abspann. Das wäre doch was. Herr Präsident, wir freuen uns auf die Zusammenarbeit.
2005
4.1.
Liebes Tagebuch. Der unkaputtbare Kollege Stermann, nach zehn Jahren FM4 durchaus hart im Nehmen, hat die grausame Flut in Südostasien unbeschadet überlebt und wird in den nächsten Tagen zurück in Wien erwartet. Bis dahin schreibe ich allein in dich hinein. Zweitausend und fünf also. Jetzt geht wieder alles von vorne los. Die ersten Tage des neuen Jahres hier bei FM4 sind, wie immer, geprägt von den Vorbereitungen für das Sender-Geburtstagsfest am 22. dieses Monats. Die dufte Idee, just am vermutlich kältesten Tag des Jahres ein Open-Air-Fest zu veranstalten, steht in der Liste der FM4- Torheiten ja ganz weit oben. Und um uns ein wenig auf das Eisfest einzugrooven, hat Chefcontroller Blumenau seit zwei Tagen die Heizkörper auf null gedreht. Es hat minus elf Grad im Studio. Gestern kam der liebe Christian Davidek unvorsichtigerweise beim Moderieren mit dem Mund zu nah ans gefrorene Mikrofon, jetzt klebt er mit der Zunge an selbigem fest. Ein Chirurgenteam aus Bregenz wird erwartet, um Davidek aus dieser misslichen Lage zu befreien. Bis die da sind, hängt er mit rausgestreckter Zunge im Livestudio. Die anderen Moderatoren, die ins gleiche Mikro sprechen, an dem die Davidek-Zunge klebt, bitten ihn, so lange ruhig zu sein, bis ihre Sendung vorbei ist. Ein unwürdiges Bild, wenn du mich fragst, Tagebuch. Na ja, wir zittern uns jedenfalls so durch die Tage. Der nächste Frühling kommt bestimmt.
6.1.
Die einzige FM4- Sendung, die keine Hörerzahlen, also keine Quoten in dem Sinn hat, sondern bestenfalls Dunkelziffern, ist die sonntägliche Trinkershow »Im Sumpf«, das seit Jahren geduldete schwarze Schaf der großen FM4- Familie. Ein bewusst antikommerziell ausgerichtetes Minderheitenprogramm, das, um zu überleben, auf Spenden angewiesen ist. So werden die fragwürdigen Macher des »Sumpfs«, Fritz Ostermayer und Thomas Edlinger, direkt aus dem Ute-Bock-Topf bezahlt. Die Ausnahmestellung, die der »Sumpf« im Rahmen von FM4 hat, hat Ostermayer und Edlinger zu schrulligen Sonderlingen gemacht. Der lichtscheue Edlinger arbeitet ausschließlich nachts an seinen seltsamen Sendungen, um niemandem zu begegnen. Und der wackere Ostermayer, der in der Wiener Vorstadt in einem Heim für gefallene Männer lebt, hat ein kaum nachvollziehbares Faible für Sumatra-Tiger, die genauso vom Aussterben bedroht sind wie er selbst. Die beiden, Edlinger und Ostermayer, sind so etwas wie groteske Maskottchen unseres Senders. Wir haben sie lieb gewonnen und wollen sie unbedingt im Team behalten. Deshalb hat Senderchefin Eigensperger jetzt die »Stiftung Sumpf« ins Leben gerufen. Über ein Spendenkonto, das über das Hörerservice bekannt gegeben wird, soll Geld gesammelt werden, damit die beiden sich neue Unterhosen und Frisuren leisten können.
Ach, Tagebuch, hoffentlich bleiben uns die beiden komischen Vögel noch lang erhalten.
8.1.
Wir alle hier machen uns große Sorgen um Gerald Votava, liebes Tagebuch. Früher so ein fescher Bursche, sogar Vierter in der Mister-Floridsdorf-Wahl 1999, durch und durch trainiert, bis vor wenigen Jahren noch eine Augenweide, den göttlichen Körper in mindestens Versace gehüllt, und heute? Der liebenswerte Votava sieht aus, als hätte er auf der Müllverbrennungsanlage übernachtet, seine meterlangen Haare wirken, als würden sie minütlich durch ein Ölfass getaucht, und die Brillen, die der hochsympathische Votava auf der Nase sitzen hat, kriegt man nur mehr in Kölner Scherzartikelgeschäften. Ich hoffe, er hat noch seine eigene Nase, oder hängt die an der Scherzbrille dran? Irgendwie ja auch beneidenswert souverän, sich von allen modischen Trends loszusagen, aber bei FM4- Gruppenfotos für die Presse müssen wir den lieben Votava immer ganz hinten verstecken, damit die Leute nicht erschrecken. Frau Brunner, Frau Unterweger und Herr Pfister haben übrigens zusammengelegt, damit sich der verwahrloste Votava ein neues Hemd kaufen kann. Das war auch notwendig. Schließlich haben immer mehr Ö1
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