Speichelfaeden in der Buttermilch
daran war, dass mich der Radiodirektor in meinem Kapuzenanorak und den monströsen Schneebrillen auch nicht erkannt hat. Nach diesem Fauxpas flog ich mit meinem umgeschnallten Fallschirm aus dem Fenster. Hoffe, die anderen Mitarbeiter haben mich nicht verraten.
Viele Verwechslungen passieren dieser Tage, Tagebuch. Als deutscher Exzentriker trage ich in Tagen großen Frosts ja gern meinen noch lebenden Braunbärenmantel und eine einen Meter hohe Elchhaube. Das Geweih hat die Studiodecke ganz schön zerkratzt, bis Chefcontroller Blumenau diverse Tierschutzorganisationen zu Hilfe rief, freilich nicht ohne vorher auf mich zu schießen. Der Blumenau trägt ja immer vier Faustwaffen bei sich, um vorlauten Fans zu zeigen, wo der Hammer hängt. Na ja, ich jedenfalls schreibe diese Zeilen in einem Käfig des Veterinärmedizinischen Instituts, in dem ich blutend kauere. Obwohl ich jetzt nackt bin, kann man mich noch immer nicht einwandfrei als Menschen identifizieren. Die Senderchefin müsste jeden Moment zur Gegenüberstellung kommen. Ich kann nicht mehr.
10.12.
Jetzt dröhnen wieder Weihnachtslieder von den Decken der Supermärkte, und Bing Crosby und Danny Kaye tauchen verdächtig oft im Fernsehprogramm auf. Die Zeit vor Weihnachten ist die wahrscheinlich schlimmste im ganzen Jahr. Heulende Kinder sitzen am Schoß von nach Wodka riechenden Sozialhilfeempfängern, die sich als Weihnachtsmann verkleidet haben. Auch einige asoziale FM4- Mitarbeiter sind als Mietweihnachtsmänner unterwegs. Hosea Ratschiller stolpert über die Mariahilfer Straße und verteilt Flugzettel von Kleiderbauer, Andreas Ederer steht auf Stelzen als sieben Meter hoher Weihnachtsmann direkt vorm Funkhaus und brüllt »Jingle Bells« durch ein Megafon – zehn Stunden täglich –, um dem sterilen ORF -Gebäude ein stimmungsvolles Ambiente zu verleihen. Der arme Ederer kann nicht mehr. Er hat mir gestern zugeflüstert, dass er sich mit Tabletten umbringen wolle.
Jeder muss Opfer bringen, liebes Tagebuch. Der Ederer Andreas soll sich nicht so anstellen. Rudi Schöllerbacher beispielsweise muss jeden Morgen im Rahmen der Aktion »Bock auf Geld« mit Gerlinde Lang in ein Rentierkostüm schlüpfen. Die beiden hoppeln dann rüber zu Ö1 und treiben Kohle für Ute Bock ein. Der Schöllerbacher reißt das Rentiermaul auf, und das gespendete Geld wird ins Maul geworfen, wodurch es ins Innere des Kostüms gelangt. Die im hinteren Teil des Rentierkostüms kauernde Lang Gerlinde steckt sich die Asche dann in den Ausschnitt, damit nichts verloren geht. Am 24. Dezember wird das Geld natürlich Ute Bock überreicht. Die Alte muss ja im Geld schwimmen, mich frisst der Neid, Tagebuch.
12.12.
So, liebes Tagebuch, wird Zeit, dir mal einiges über die Sternkreiszeichen unserer wunderlichen Mitarbeiter zu erzählen. Es gibt ja zwölf Sternzeichen, du dummes Tagebuch, und das Interessante ist, dass nahezu alle FM4- Leute im Sternzeichen Waage geboren sind, wie meine Recherchen ergeben haben. Kein Wunder, gelten doch Waage-Geborene als geizig, verschlagen, denkfaul und liederlich, wie dir jeder Astrologe versichern kann, du blödes Tagebuch. Es gibt nur wenige Ausnahmen: Hermes ist Union-Geborener, Zita Bereuter ist im Sternzeichen der Armbrust zur Welt gekommen, und Kollege Stermann ist Anker. Ich selbst bin Siamesischer Drilling, ein geradezu genialistisches Sternzeichen, das ausschließlich potentiellen und tatsächlichen Nobelpreisträgern vorbehalten ist, wie meine Studie zeigt. Nicht schlecht, was?
Es stimmt. Ich bin Anker. Genauso wie Ronald Barnabas Schill, Dieter Bohlen und der NPD -Holger-Apfel. Nicht die allerbeste Gesellschaft zwar, aber immer noch besser als im Sternzeichen des Nacktmulls geboren zu sein, wie der Herr Votava. Anker-Geborene sind, wie mir ein Astrologe erklärt hat, meistens Deutsche mit geringer Lebenserwartung und schwacher Auffassungsgabe. Außerdem geldgierig und charakterlos. Was soll's? Ich kann damit leben. Außerdem glauben doch sowieso nur verblödete BWL -Studentinnen an diesen Astrologiescheiß. Mathias Zsutty hat übrigens gar kein Sternzeichen, weil er an einem Tag geboren wurde, den es in unserem Kalender nicht gibt.
15.12.
Warum zum Teufel, Tagebuch, sitzen am »Licht ins Dunkel«-Spendentelefon entweder österreichische C-Prominente wie die Petzl, die Niddl und die Lugner oder aber Soldaten? Brav gescheitelte, entweder in kackbraune oder kotzgrüne Uniformen gesteckte Soldatenbubis? Warum Soldaten? Warum nicht Bäcker,
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