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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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die Ladys. Die Frisur eines Verrückten und den Gesichtsausdruck eines besoffenen Sonderschülers. Also ehrlich, Tagebuch, wenn meine Tochter mit so einer Pfeife nachhause kommen würde, gäbe es vier Jahre Hausarrest und drei Ohrfeigen dazu. Da kann er noch so schön singen. Ich weiß schon, der mit dem Loch im Gesicht ist der Sänger, aber wenn Herr Green nicht bald mal den Mund schließt, dann besteht die Gefahr, dass die Mundhöhle austrocknet. Ich habe den Hausarzt gefragt, ehrlich!
    Ja, den Damen gefallen heute ganz andere Männertypen als noch vor zehn Jahren. Damit muss vor allem ich mich abfinden, liebes Tagebuch! Ich, der ich noch ganz uncool das Seidenhemd bis zum Bauchnabel offen trage und auch immer noch Dreitagebart. Aber damit beeindrucke ich nur noch die 60jährige Kellnerin meiner Stammkonditorei. Die jungen Puppen kriege ich mit so einem Styling nicht mehr. »Hau ab, Großvater«, hat letztens so eine freche Göre im »Flex« zu mir rübergeschnauzt. Ich muss umdenken. Zuerst übe ich vorm Spiegel, den Mund weit aufzumachen und ein bisschen zu schielen. Dann kaufe ich mir im Piff-Paff-Kindershop einen winzigen Anorak, und dann können sich alle Girls in Acht nehmen. Dann ist Adam Stermann da und ihr alle liegt ihm wieder zu Füßen!
    24.1.
    Liebes Tagebuch, viel wird in diesen Tagen über die Anfänge von FM4 gesprochen. Januar 1995. FM4 geht on air. Wow. Was da verklärt wird, geht auf keine Kuhhaut mehr. Ich war dabei, ich weiß, wie es wirklich war. Also, wir haben früher alle bei Ö3 gearbeitet. Bei der »Musicbox« und bei »Zickzack«. Die »Musicbox« sendete irgendwann in der Nacht vor sich hin und »Zickzack« hatte weniger Hörer als Mitarbeiter. Also wurden wir alle von Ö3 rausgeschmissen. Weil wir nicht gut genug waren. So sieht's aus. Weil man mit uns nichts verdienen konnte. Ein Haufen untalentierter Freaks und Nerds, die es im normalen Radio zu nichts bringen konnten. Also hat der ORF aus humanitären Gründen für uns eine beschützende Werkstatt gegründet, und weil man verständlicherweise nichts zu tun haben wollte mit so einem Sender, hat man uns einen Namen gegeben, der keine Verbindung zum ORF erkennen lässt. FM4 . Mit hängenden Köpfen haben wir als Berufsverlierer mutlos zu senden angefangen. Verlierertypen »on air«, verlacht von den Kollegen, die weiterhin beim richtigen Radio arbeiten durften. Wie beim Schulskikurs, wo die Schlechtesten in der Idiotengruppe versammelt werden und keinen einzigen Meter fahren, weil sie zu blöd sind, den Steigbügel der Liftanlage zu packen. Und so ist es bis heute, getreu dem Motto: Never change a losing team!
    Liebes Tagebuch, wer bei FM4 arbeitete, durfte von Anfang an mit dem Behindertenaufzug nach oben fahren. Ich kann mich noch an die erste FM4- Sitzung erinnern. Eine Mischung aus Drogensucht, Alkoholismus und Enttäuschung. Leere Gesichter, ihres Selbstbewusstseins beraubt. Es dauerte mehrere Stunden, bis der damalige Chef Mischa Zickler etwas sagte und das furchtbare resignative Schweigen durchbrach. Seine ersten und einzigen Worte waren damals: »Ja, Scheiße!« Und wir anderen nickten einfach nur betrübt. Das war's. Schlurfend verließen wir den Sitzungssaal und sendeten fortan freudlos vor uns hin. Die ersten Hörer schalteten aus Mitleid ein, andere kamen dazu, aus Sensationslust, so wie man fasziniert bei einem Verkehrsunfall stehen bleibt. Es folgten Verlierertypen, Ausgestoßene aus Cliquen, Klassenaußenseiter, Einsame und Verwundete. FM4 wurde zur Karawane des Grauens. Zu einem Sammelbecken der Freaks. Und in dem plantschen wir jetzt seit zehn Jahren. Bis irgendwann irgendwer die Luft aus dem Becken lässt.
    26.1.
    Liebes Tagebuch, am Samstag findet das FM4- Fest zum zehnten Mal statt. Und wieder muss man sich eine ganze Nacht lang den Arsch abfrieren. Welcher Vollidiot hatte die Idee, im Winter eine Open-Air-Party zu veranstalten? Ausbildner des österreichischen Bundesheeres? Ich werde mich wieder auf die Bühne auf die große Heizkanone setzen. Dann habe ich zwar Verbrennungen am ganzen Körper, aber immer noch besser als auszusehen wie ein gefrorener Hase im Billa-Tiefkühlregal. Im letzten Jahr haben sich bei mir während des Moderierens Eiszapfen an meinem Zäpfchen gebildet, und Stermann ist mit der bloßen Hand an seinem eiskalten Mikrofon festgepickt. Der resolute Joe Remick hat damals das Mikro mit Gewalt abgerissen, leider sind damals Teile von Stermanns Hand mit abgerissen. Der arme Mathias Zsutty hatte

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