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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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die Erde vor langer Zeit verlassen?«
    »Vor drei Tagen.«
    Martin nickte. Besser wäre es gewesen, Ernesto hätte ihn gleich mit der Suche beauftragt – aber zu machen sollte es sein. Freilich musste er Ernesto zugute halten, dass er ihn bereits am Samstag gesucht hatte, wenn auch nicht allzu hartnäckig.
    »Ich müsste noch einiges von Ihnen wissen, bevor ich mich entscheide.«
    Ernesto erhob keine Einwände.
    »Wie war Ihr Verhältnis zu Ihrer Tochter?«, fragte Martin.
    »Gut«, antwortete Ernesto ohne zu zögern. »Sicher, wir haben uns auch gestritten … Wie Sie sich vorstellen können, brauche ich mich mit einer ganzen Reihe profaner Probleme nicht zu belasten. Wenn meine Tochter neue Kleidungsstücke möchte, bitte schön. Wenn sie die ganze Nacht Musik hören will, sage ich kein Wort … Als wir unser Haus gebaut haben, habe ich von vornherein auf einer guten Schallisolierung bestanden. Urlaub, ihre Ausbildung … das bereitet uns keine Sorgen.«
    »Verstehe«, erklärte Martin. »Und das normale zwischenmenschliche Verhältnis? Haben Sie offen miteinander geredet, durfte sie in die Diskothek gehen, ihren Freund mit nach Hause bringen?«
    »Glauben Sie mir, ich bin ein guter Vater«, behauptete Ernesto mit einem Anflug von Stolz. »Wir haben miteinander geredet, sie durfte gehen, sie durfte ihn mitbringen. Ich habe mich mit ihr gestritten, ihr manchen Rat gegeben, doch wenn sie nicht nachgeben wollte, habe ich mich damit abgefunden.«
    »Erstaunlich«, bemerkte Martin mit verständlichem Unglauben. »Und … wie stand sie zu Ihren Geschäften?«
    »Meine Geschäfte sind absolut legal«, versicherte Ernesto, wobei auch diesmal Stolz mitschwang. »Gewinnbringende Geschäfte sind im Grunde nie ganz sauber. Aber es gibt nichts, wofür ich mich schämen müsste. Ich bin kein Ganove, der mit Drogen handelt und Spelunken unterhält. Und meine Tochter schämte sich auch nicht für mich, falls Sie das meinen.«
    »Hat Sie mit Ihnen gesprochen, bevor sie sich auf ihre … Reise begab?«
    »Nein«, antwortete Ernesto.
    »Kommt Ihnen das nicht komisch vor?«
    »Durchaus nicht. Wir haben schon mehrfach über die Großen Tore gesprochen, und ich habe Irina erklärt, sie müsse vorsichtig sein, wenn sie die Dienste der Schließer in Anspruch nimmt, und solle besser erst Lebenserfahrung sammeln und sich ihrer eigenen Stärke bewusst werden. Irotschka war da anderer Meinung. Sie reist gern, und welche Reise könnte interessanter sein als eine durch das Tor? Ich bekenne es ganz offen, Martin, ich will gar nicht ausschließen, dass Irotschka in zwei, drei Tagen von selbst zurückkommt. Aber ich will kein Risiko eingehen.«
    »Ich muss mir ihr Zimmer ansehen, ihre persönlichen Sachen«, informierte Martin ihn.
    Ernesto runzelte die Stirn, nickte aber dennoch.
    »Die Bezahlung?«
    »Nennen Sie eine Summe«, ließ Ernesto leichthin fallen. »Ich kenne Ihre Preise, sie sind akzeptabel für mich.«
    In was für eine Zwickmühle war er da geraten! So sehr Martin sich anstrengen mochte, einen vernünftigen Grund zu finden, den Auftrag abzulehnen, es glückte ihm nicht. Ein sympathischer Mann. Eine leichtsinnige Tochter. Gutes Geld. Eine Sache, die keinen Haken hatte. Lehnte er ihn ab, müsste er ja glauben, bei ihm im Oberstübchen ticke es nicht mehr richtig. Ein seriöser Mann, der für alles Verständnis hat … Er ist in die Bredouille geraten, Martin, man sollte ihm helfen … Anders konnte man das doch nicht sehen.
    Diese Gedanken schossen ihm durch den Kopf, um sodann einer Art Unglauben Platz zu machen. Warum missfiel ihm dieses Angebot eigentlich? Er hatte zugestimmt, den Buchhalter zu jagen, der zum Mörder geworden war, wobei er Gefahr gelaufen war, sich selbst eine Kugel einzufangen oder sich die eigenen Hände blutig zu machen. Und hier sollte er lediglich eine Tochter nach Hause zurückbringen.
    »Irgendetwas an der Sache gefällt mir nicht«, gestand Martin. »Ehrlich gesagt.«
    Ernesto breitete, seine Hilflosigkeit zum Ausdruck bringend, die Arme aus.
    »Haben Sie mir auch alles gesagt?«, wollte Martin wissen. »Über Ihre Tochter und über sich?«
    Wenn die Antwort erst nach einer Pause folgte, dann nach einer winzigen und unschuldigen. »Alles, was der Sache dienlich ist. Aber fragen Sie ruhig weiter, ich werde jede Ihrer Fragen beantworten.«
    Martin strich die Segel. »Ich dusche mich jetzt und trinke Kaffee, einverstanden? Danach fahren wir zu Ihnen. Wenn Sie wollen, können Sie hier warten …«
    »Gern«,

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