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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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zugebracht.
    Auch jetzt waren bereits vierzig Minuten vergangen, ohne dass er eine Entscheidung getroffen hätte.
    Gestern Abend hatte er es geschafft, Irinas Zuhause kennenzulernen, zwei Freundinnen zu befragen und mit ihrem zu Tode erschreckten Freund zu sprechen, einem siebzehnjährigen Jungen, von dem er nicht das Geringste erfahren hatte und der sich die ganze Zeit bei Irinas Vater, ihrer Mutter und augenscheinlich gar bei dem Hund, einem kräftigen traurigen Malteser Schäferhund, einschmeichelte.
    Dieser Hund beschäftigte Martin mehr als alles andere. Er gehörte Irina, schlief in ihrem Zimmer, tauchte auf allen Fotografien und in allen Videoaufzeichnungen auf, die Ernesto Semjonowitsch ihm freundlicherweise zeigte. Es war ein wachsamer Rassehund. Und er vermisste sein Frauchen.
    Warum hatte Irina ihn nicht mitgenommen?
    Eine junge Närrin, die von zuhause wegläuft, würde Mutter und Vater kein Wort sagen. Aber ihren geliebten Hund nehmen solche Mädchen immer mit, schon aus pragmatischen Gründen, glauben sie naiverweise doch, der Hund sei der beste Beschützer auf dieser Welt. Ferner spielt jene sentimentale Verbundenheit eine Rolle, in der ein Mädchen von siebzehn Jahren ein Tier auf eine Stufe mit einem Menschen stellt – wenn nicht gar höher.
    Irotschka hatte ihren Hund nicht mitgenommen.
    Auch die an der Zimmerwand hängende Armbrust hatte sie zurückgelassen, ein extravagantes spanisches Spielzeug aus Kohlefaser und Titan, ein Stück, das ihr unterwegs in der Tat hätte gute Dienste leisten können. Auch den Karabiner hatte sie nicht mitgenommen, mit dem sie umzugehen wusste und den sie offiziell bei der Miliz gemeldet hatte.
    Damit drängte sich der Gedanke auf, die Abenteuerlust des Mädchens Ira halte sich in Grenzen und sie habe unter den »grünen« Planeten einen gewählt, auf dem sie keine Waffen benötigen würde, beispielsweise die aufblühende amerikanischeuropäische Gemeinschaft auf Eldorado, einen städtischen Ferienort auf den Hellblauen Weiten, den Stadtplaneten der guten und hoch entwickelten Aranker oder eine der Naturschutzwelten unter dem Patronat der Dio-Daos, einer asketischen und strengen Rasse, die bis zum Wahnsinn pünktlich und gesetzestreu war. Kurzum, einen jener Planeten, über die Zeitschriften wie Vogue oder Der eigene Herd so gern berichteten, wobei sie nicht mit dem Platz für Farbfotografien geizen und begeistert das Gestammel der Touristen abdrucken.
    Nur – und das war die Krux – wollte das nicht zum Charakter des Mädchens passen. Sie würde nicht vom Regen in die Traufe gehen und die mit dem Geld des Herrn Papa erbaute komfortable kleine Welt gegen eine andere gemütliche kleine Welt eintauschen. Martin beschlich sogar der Verdacht, die junge Frau habe sich überhaupt nicht zum Großen Tor aufgemacht, sondern sei auf die Bahamas oder nach Hawaii geflogen, und zwar mit ihrem eigentlichen Freund, von dem die Eltern selbstredend nichts ahnten.
    Doch ihre Freundinnen, ebenso dumme und verwöhnte Mädchen wie Irotschka Poluschkina, die zwischen echter Begeisterung und gespielter Sorge um das Schicksal ihrer Freundin hin und her gerissen waren, hatten ihm überzeugend von der Moskauer Station und der in der Tür verschwindenden Irina erzählt. Nichts hätte Irina mitgenommen, eine Tasche mit Kleidung und ein paar Kleinigkeiten, gekauft im Geschäft »Alles für unterwegs«, hätten ihr völlig ausgereicht. Ehrlich besorgt hatten die Freundinnen jene zwei Stunden auf Irina gewartet, die die Schließer jedem Reisenden einräumen, um eine gelungene Geschichte zu erzählen. Ira kam indes nicht wieder heraus. In der fremden Welt hätte sie die Schließer noch bitten können, in den Ruheraum gelassen zu werden, doch auf der Erde kam sie mit diesem Trick nicht durch.
    Martin hatte sämtliche Zeitschriften durchgeblättert, die er in Iras Zimmer gefunden hatte. Darüber hinaus hatte er sich sämtliche Videofilme angesehen, wobei er jenen besondere Aufmerksamkeit zuteil werden ließ, in denen es um die Großen Tore und Schließer ging. Er hatte das Passwort ihres Computers geknackt (was ihn nicht viel Zeit kostete) und sorgfältig alle E-Mails durchgesehen, sich die Logdateien, die naiven, ziemlich schlechten Gedichte und die Favoriten fürs Internet angeschaut. Dabei hatte er viel Interessantes erfahren, so auch etwas über das völlig altersgerechte Interesse der jungen Frau an Sex und die recht überraschende Leidenschaft für Fußball. An einer wenig originellen Stelle

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