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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Vorteil, auf Vaters– und Familiennamen verzichten zu können, wozu sich all die Serjoshas, Andrejs, Dimas und Wolodjas gezwungen sahen.
    »Sie waren auf Marge«, stellte Herr Poluschkin ohne Umschweife fest.
    »Ja«, bestätigte Martin. »Könnte ich kurz vorbeikommen?«
    »Ich mache Ihnen keine Vorwürfe, Martin«, erklärte Ernesto Semjonowitsch nach einer winzigen Pause. »Mir ist klar, dass Sie für Irina nur das Beste wollten. Aber treten Sie mir nicht mehr unter die Augen … ja?«
    Martin stellte sich einen zornigen Poluschkin vor. »Ja«, antwortete er. »Sicher. Aber ich würde Ihnen gern erzählen, was auf Marge passiert ist …«
    »Mich hat bereits … Ihr Führungsoffizier angerufen«, informierte ihn Ernesto Sergejewitsch leicht stockend. »Insofern bin ich darüber im Bilde. Sie wohl ebenfalls, wie ich vermute. Ich gebe zu, dass auch ich einen Fehler gemacht habe … als ich mich an Sie wandte und Ihnen einen Teil der Informationen verschwieg.«
    Insgeheim dankte Martin dem stillen Oberstleutnant Juri Sergejewitsch. »Ich habe Ihnen gegenüber große Schuld auf mich geladen …«, sagte Martin.
    »Sie haben sich nichts zuschulden kommen lassen«, fiel ihm Poluschkin ins Wort. »Vergessen Sie die Geschichte einfach. Ich werde die Rückkehr meiner einzigen Tochter abwarten. Auf Wiedersehen.«
    Damit war die Verbindung unterbrochen.
    »Ein Mann hart wie Eisen«, brummte Martin, während er auflegte. »Wie Stahlbeton. Verdammt auch! Seine Nerven musste man haben!«
    Zur Beruhigung der eigenen, der schwächeren Nerven ging Martin in die Küche und mixte sich geistesabwesend einen Gin Tonic. Die Prozedur an sich, wiewohl schlicht und einfach, besänftigte ihn bereits. Alles hing davon ab, das richtige Tonic mit echtem Chinin zu wählen und nicht auf das chemische Zeug der Limonadenfabrik um die Ecke zurückzugreifen. Doch auch ein Glas des edlen Getränks beruhigte ihn nicht.
    Martin rief seinen Onkel an.
    »Erinnerst du dich auch mal wieder an den Alten«, begrüßte ihn sein Onkel bärbeißig. »Wo treibst du dich bloß ständig rum? Zuhause bist du nie, dein Handy schaltest du nicht ein. Man könnte ja glauben, du machst die Galaxis unsicher!«
    »Mein Beruf …«, lenkte Martin das Gespräch rasch von dem gefährlichen Thema weg. »Entschuldige, aber ich stecke bis über beide Ohren in Arbeit. Hör zu, ich brauche deinen Rat …«
    Sofort zeigte sich der Onkel umgänglicher. Seinem Neffen einen Rat zu geben war nun mal sein Liebstes. »Ja?«
    »Die Situation ist folgende …«, setzte Martin an. »Meinetwegen … ist jemand gestorben.«
    »Hast du den Verstand verloren?«, polterte der Onkel nach einer Sekunde des Schweigens los. »Wie kannst du solche Dinge am Telefon besprechen? Ich will doch nicht hoffen, dass du übers Handy anrufst?«
    »Nein, beruhige dich …«, setzte Martin erneut an.
    »Hast du dein Telefon mit so einem Mistding ausgestattet?«, fragte der Onkel gleich milder. »Einem Scrambler oder wie die heißen?«
    Der großen Liebe für ausgefallene Technik gesellte sich bei seinem Onkel eine gewisse diesbezügliche Naivität hinzu. Martin wusste um dieses Phänomen.
    »Onkel …«
    »Das Wichtigste ist jetzt, die Leiche loszuwerden.« Der Onkel kam gleich zur Sache. »Kannst du zehn Liter konzentrierter Salpetersäure besorgen?«
    »Hör auf damit, Onkel! Ich habe niemanden umgebracht! Wie kannst du so was annehmen!«, rief Martin panisch aus. Er vermeinte sogar ein Knacken in der Leitung zu hören, obgleich er wusste, dass man mit der neuen Telefontechnik die Abhörgeräte völlig geräuschlos anschalten konnte. »Es geht um etwas ganz anderes. Also … um es so offen wie möglich darzustellen … ich habe versucht, jemandem zu helfen … sich aus einer hässlichen Geschichte rauszuhalten. Man hat aber nicht auf mich gehört. Und ich musste mit ansehen …«
    »Warum hast du dann gesagt, du seist schuldig?«, empörte sich der Onkel.
    »Na ja … ich konnte nichts verhindern.«
    »Vor ein paar Tagen ist in Frankreich ein TGV-Express entgleist. Bist du daran etwa auch schuld?«, fragte der Onkel sachlich.
    »Das ist doch was ganz anderes!«, brauste Martin auf. »Hier war ich in der Nähe, konnte aber nicht helfen.«
    »Hattest du denn die Möglichkeit?«
    »Anscheinend nicht«, meinte Martin, nachdem er kurz darüber nachgedacht hatte.
    »Dann gehe deines Weges und versündige dich nicht!«, sprach der Onkel das Urteil.
    In dem Moment begriff Martin, dass er doch noch zu seiner Audienz

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