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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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sich befand, stellte das größte Stück Festland auf Bibliothek dar. Die kleinste Insel maß zwanzig mal zwanzig Zentimeter, meist lag ihre Größe zwischen fünf und zweihundert Quadratmetern. Auf jeder dieser Inseln standen Obelisken, kantige Steinsäulen, dick wie ein Arm und etwa anderthalb Meter hoch. Manchmal gab es nur eine Säule. Manchmal Hunderte. In jeden Obelisken war ein einziger Buchstabe eingeritzt. Insgesamt gab es zweiundsechzig Buchstaben, unter denen möglicherweise auch Satzzeichen und Ziffern waren.
    Ein Weilchen blieb Martin stehen, um den endlosen Wald steinerner Phalli zu bestaunen. Nie zuvor war er auf Bibliothek gewesen, hatte aber schon etliche Artikel über diesen seltsamen Planeten gelesen. Auf den ersten Blick schien der Planet in jenen Zauber getaucht, den viele Menschen auf Friedhöfen und in Ruinen finden. Eine saubere, eine frische, gleichwohl eine tote Luft. Leise plätscherte das Wasser in den Kanälen. Auf einigen Inseln ließen sich Hinweise auf Leben ausmachen: Leichter Rauch stieg auf, zwischen den harmonisch angeordneten Säulen reihten sich Zelte und Hütten.
    Martin zog die Schultern ein – nicht vor Kälte, denn es war warm, sondern vor der die Obelisken umwehenden Düsternis. Bisher war ihm der Zauber von Ruinen nie aufgegangen. Er öffnete das Futteral seines Karabiners, setzte die Waffe rasch zusammen, lud durch und ging zum Ufer hinunter, an die Stelle, wo eine steinerne Brücke über den Kanal führte. Mühe hatte man sich mit ihr keine allzu große gegeben, denn sie bestand schlicht aus drei umgestürzten Stelen.
    Auf dem Weg kamen ihm drei Ureinwohner entgegen. Ein Mensch und zwei Außerirdische, bei denen es sich um einen Geddar und um ein Martin unbekanntes, robbenartiges Wesen handelte, das am Rand des Kanals dahinkroch, eine Flosse ins Wasser getaucht. Als Martin genauer hinsah, machte er einen weiteren Robbenartigen aus, der unter Wasser schwamm.
    »Friede sei mit euch«, begrüßte Martin die ihm entgegenkommende Gruppe, ohne das Gewehr aus der Hand zu legen. Vor der Brücke blieb er stehen.
    Der Geddar und der Mensch sahen sich an. Sie schienen hier das Sagen zu haben, was sich durchaus mit dem Schwert des Geddars und der Schrotbüchse des Menschen erklären lassen mochte. Der Geddar hatte die Hände vor der Brust gekreuzt – eine abwartende Haltung, die es ihm jederzeit erlaubte, das Schwert zu ziehen.
    »Friede sei auch mit dir«, erwiderte der Mensch den Gruß.
    Er war dünn, aber nicht ausgemergelt. Ein Europäer von vierzig Jahren oder älter. Seine Kleidung, wiewohl abgetragen, war weder zerrissen noch schmutzig. Offenbar achtete der Mensch auf sein Äußeres. »Wir repräsentieren die Verwaltung von Bibliothek.«
    Martin nickte. Wie er wusste, gab es auf Bibliothek keine Regierung im eigentlichen Sinne, da diese Welt sich einer organisierten Gesellschaftsform nicht allzu zugeneigt zeigte. Freilich entstehen an jedem Ort, an dem mehr als zwei intelligente Lebewesen zusammenkommen, machtähnliche Strukturen.
    »Wie lange beabsichtigen Sie, auf Bibliothek zu bleiben?«, wollte der Mensch wissen.
    »So lange, wie es nötig ist.«
    Der Mensch lächelte. Aus irgendeinem Grund vermochte Martin sich des Eindrucks nicht zu erwehren, dieser »Vertreter der Verwaltung« wisse stets, was er den Schließern erzählen könnte.
    »Wir haben hier unsere Regeln«, fuhr der Mensch fort. »Sie sind simpel. Verzicht auf Gewalt. Keine sexuelle Nötigung. Diebstahl wird mit dem Tod bestraft. Wir würden Ihnen nahe legen, einen Teil der in Ihrem Besitz befindlichen Güter für den Gemeinschaftsfond zu spenden.«
    »Gott hat uns befohlen zu teilen«, pflichtete ihm Martin bei. Er schob einen Träger des Rucksacks herunter, nahm den Karabiner in die freie Hand und setzte den Rucksack ab. Nachdem er eine Schnur aufgeknotet hatte, entnahm er ihm eine pralle Tüte. Diese warf er über den Kanal, dem Geddar vor die Füße.
    Neugierig musterten ihn die Ortsansässigen.
    »Lebensmittelkonzentrate, Stoff, Nähutensilien, Medizin, Trockenbrennstoffwürfel, Streichhölzer, Sonnenbatterien sowie die letzten drei Nummern des Digest für Reisende«, erläuterte Martin. »Das ist genau die Hälfte meiner Ausrüstung.«
    Der Vertreter der Administration und der Geddar sahen sich an. Voller Genugtuung gewahrte Martin auf dem Gesicht des Menschen ein Lächeln. Der Geddar ließ die Arme sinken. Der Robbenartige stieß einen leisen, girrenden Laut aus, drehte sich um und glitt geschmeidig in

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