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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Sprache zu benennen und zu systematisieren, sie den einzelnen Buchstaben zuzuordnen – das gehört bereits in den Bereich wissenschaftlicher Untersuchungen.«
    Martin hob die Hände, legte sie mit rechtwinklig angespreizten Daumen aneinander und sagte in Gebärdensprache: Wir können lesen und beherrschen die Grammatik. Die Gebärdensprache ist das Abc des Touristischen.
    Richtig, bestätigte Klim lautlos. Das ist so natürlich für uns, dass wir nicht einmal darüber nachdenken. Aber wir haben auch das Alphabet gelernt. Das Touristische hat siebenundvierzig Buchstaben, dreizehn Satzzeichen und zwei Zahlen. Die Null und die Eins, ein Binärcode.
    Der Knirps, der die Erwachsenen misstrauisch beäugte, fing leise, gleichsam zur Warnung, an zu weinen.
    »Er mag es nicht, wenn sich jemand in touristischer Gebärdensprache unterhält«, erklärte Klim nun wieder mit Worten. »Russisch und Englisch versteht er, Touristisch ebenfalls, aber Gebärdensprache noch nicht. Er ist hier geboren, nicht durch das Tor hergekommen.«
    »Worin besteht denn nun das Problem?«, fragte Martin. »Selbst mir, der ich letztendlich völlig unbeleckt bin, ist klar, dass die Sprache Bibliotheks mit dem Touristischen zusammenhängt. Vermutlich hat auch jede Geste Ähnlichkeit mit einem der Zeichen auf den Obelisken?«
    »Die Schwierigkeiten resultieren auch hier daraus, in welche Richtung man liest«, erläuterte der Direktor. »Wir haben versucht, die Obelisken hintereinander zu lesen, danach haben wir unterschiedliche Richtungen und Kombinationen ausprobiert … All das hat zu nichts geführt. Man erhält nur das Gestammel eines Kindes, die Pseudosprache eines Geisteskranken. Irina hat erklärt, sie kenne eine Methode der Decodierung. Jetzt ist ein Großteil der Dorfbevölkerung mit ihr zu Punkt Zwölf unterwegs, einer großen Insel, die drei Kilometer nördlich liegt.«
    »Und Sie sind hier geblieben?«, wunderte sich Martin. »Während eventuell eine ungeheuer bedeutsame Entdeckung …«
    »Die von Irina vorgeschlagene Methode, die Obelisken zu lesen, habe ich vor zwei Jahren ohne viel Aufhebens selbst ausprobiert«, gestand der Direktor. »Es handelt sich dabei um eine simple Korrelation zwischen der Fläche der Inseln und der Zahl der Zeichen auf ihnen … Damit erzielt man keine Ergebnisse.«
    »Davon haben Sie ihr aber nichts gesagt«, meinte Martin nachdenklich. »Hm … Vermutlich war das ganz richtig. Ihr Übereifer sollte wohl geheilt werden.«
    »Bringen Sie sie von hier weg«, sagte Klim. »Ich bitte Sie darum. Falls nötig, erzähle ich Ihnen sogar ein paar interessante Geschichten, mit denen Sie die Schließer bezahlen können.«
    Martin sah dem Direktor in die Augen. »Wissenschaftlicher Neid?«
    »Nein«, meinte Klim kopfschüttelnd. »Das Mädchen ist ohne Frage begabt. Ihre Widerlegung der Gleichung Gottes war von bestechender Eleganz. Doch sie muss lernen. Und zwar nicht hier, wo es von Fanatikern und Psychopathen wimmelt und die Obelisken den Blick auf sich ziehen … Heute wird sich das Mädchen davon überzeugen, dass ihre Theorie Schwachsinn ist. Doch sie wird nicht daran zerbrechen, sondern neue Ansätze suchen … und dabei in der Flut des Materials ertrinken, sich darin verzetteln, mit einem Maßband auf den Felsen herumzukriechen, sich in unfruchtbaren Auseinandersetzungen und Beschimpfungen verlieren. Bringen Sie sie fort, Martin! Sie wird reifer werden und zurückkommen, um dann das Geheimnis von Bibliothek zu enthüllen.«
    Martin streckte dem Direktor die Hand hin. »Abgemacht. Es gibt nur ein Problem: Will sie überhaupt mit mir mitkommen? Selbst wenn wir sie fesseln und zur Station schleifen … Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Schließer nur diejenigen durchs Tor lassen, die das selbst wollen.«
    »Wir werden bei der Entscheidung etwas nachhelfen«, meinte Klim grinsend. »Gleich wird unser ganzes Kollektiv mit Irina zurückkommen. Alle werden verärgert und voller Häme sein, für den Spott braucht Irina wahrlich nicht mehr zu sorgen. Und diejenigen, die sie vor den Kopf gestoßen hat, werden nun zu Hochform auflaufen. Falls das noch nicht ausreicht, steht es in meiner Macht zu befehlen, dass sie von hier verschwindet … und ihr sagen, dass sie dumm sei. Das Mädchen ist stolz, sie wird gehen.«
    Martin vermochte nicht zu sagen, was in Klims Worten überwog: aufrichtige Sorge um die begabte junge Frau, die sich eine ihre Kräfte übersteigende Last aufgebürdet hatte, oder der Neid des

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