Spektrum
fast berührte, blieb sie stehen. »Du!«, platzte sie heraus. »Du hast gewusst, dass ich mich irre!«
Das Temperament der jungen Frau gefiel Martin ebenso wie der Ton, in dem sie diese Anklage vorbrachte.
»Du hast mich nicht nach meiner Meinung gefragt, Irina«, antwortete Klim kalt. »Im Gegenteil, hast du nicht sogar behauptet, unsere Gehirne seien schon seit geraumer Zeit eingefroren? Und dass nur du allein die Wahrheit kennen würdest? Was willst du also? Ich habe dir keine Steine in den Weg gelegt. Hast du Erfolg gehabt?«
Einen ausgedehnten Moment lang stand Irina da, den empörten Blick unverwandt auf den Direktor gerichtet. Martin seufzte leise. Solche Duelle lagen Irina nicht, sie verfügte über keinerlei Erfahrung im Bereich des indirekten Kampfs, der Intrigen, der Verteidigung von Hausarbeiten und Promotionen, im Diskreditieren von Gegnern und Gewinnen von Verbündeten, kurzum, im Bereich all dessen, was den kräftigen Stamm des gelehrten Baums ausmachte, an dem allein die zarten Blättlein des Wissens zu sprießen vermögen.
»Sie haben mich vernichtet«, bemerkte Irotschka leise. In ihren Augen schimmerten Tränen.
Daraufhin trat Klim vor und packte die erschaudernde Irina fest bei den Schultern. »Ira, du bist klug«, sagte er mit einer Stimme, die wie ausgewechselt klang. »Du bist auf eine höchst interessante Gesetzmäßigkeit gestoßen. Wenn jemand das Geheimnis von Bibliothek zu lüften vermag, dann bist du das. Aber einen Fluss kann man nicht mit einem Sprung überwinden. Du musst schwimmen lernen.«
Innerlich spendete Martin ihm Beifall. Die verwirrte Irotschka ließ unversehens ihren Kampfgeist fahren und schaute den Direktor an wie ein kleines Kind. Der strich ihr vatergleich voller Zärtlichkeit über den Kopf und fuhr dann fort: »Ich werde einen Brief an den Leiter des Lehrstuhls für Fremdsprachen an der Lomonossow-Universität, Professor Paperny, schreiben, der ein guter und alter Freund von mir ist. Darin werde ich ihn bitten, dich ohne jede Prüfung zum Studium zuzulassen … obgleich es dir keine Mühe bereiten würde, sie zu bestehen. Irina, mir ist sehr daran gelegen, dich in unserem Kreis willkommen zu heißen. In fünf Jahren werden wir dich hier erwarten, an dieser Stelle. Glaubst du mir?«
Irina nickte, ohne den Blick von Klim zu wenden.
»Du kannst dir nicht vorstellen«, fuhr er im milden Ton fort, »wie schnell fünf Jahre vergehen … Und wie viel du erreichen kannst, wenn du deinem Gedächtnis all das Wissen schenkst, das die Menschheit erarbeitet hat …«
Er zog Irina kurz an sich und küsste sie sanft auf die Stirn. Martin entging freilich nicht, wie Klims Hand auf dem Rücken der jungen Frau erzitterte und unwillkürlich, überhaupt nicht vaterhaft, abwärts wanderte, hinunter zu dem appetitlich straffen Hintern.
Doch schon im selben Moment gewann Klim die Kontrolle über sich zurück und trat von Irina zurück.
»Wir haben übrigens Besuch!«, sagte er lächelnd. »Das ist Martin, der gerade von der Erde gekommen ist … und mit dir reden möchte.«
Automatisch trat die junge Frau einen Schritt auf Martin zu. O ja, Klim hatte seinen Teil der Arbeit wirklich bravourös erledigt …
»Sei gegrüßt, Irina«, wandte sich Martin an sie. Er tat dies wohlwollend, aber ohne ein Lächeln oder zur Schau gestellte Sympathie. »Dein Vater hat mich gebeten, dich aufzusuchen.«
Schweigend runzelte Irina die Stirn. Ihre Augen glänzten noch feucht, doch Tränen lösten sich keine. Hinter Irina fuhr Klim die Abbitte leistenden Wissenschaftler an: »Seit gestern Abend hängen die Netze im Wasser. Was ist, sollen wir jetzt etwa verdorbenen Fisch essen? Kathrin, dein Kleiner hat Bauchschmerzen, er ist schon dreimal zum Toilettenkanal gerannt.
Alle, die einen Brief an jemanden auf der Erde schreiben wollen, können sich wegen Papier an mich wenden. Pro Person gibt es aber nur ein Blatt!«
Möglicherweise war Klim ja kein großer Wissenschaftler. Aber als Administrator verstand er sein Geschäft. Unverzüglich löste sich die Menge auf, und das Leben im Dorf nahm wieder seinen gewohnten Gang.
»Ich habe nicht vor, dich zur Rückkehr zu überreden«, versicherte Martin unterdessen. »Aber ich glaube, Klim hat dir einen guten Rat gegeben. Falls du ihn annehmen möchtest, würde ich dir behilflich sein, dir eine Geschichte für die Schließer zu überlegen …«
Irina seufzte. Zaghaft lächelnd sah sie Martin an, mit einem Blick, in dem weit mehr Verständnis für die
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