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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Friede«, erwiderte eine der beiden Frauen, die lächelnd in Richtung Zelt nickte. »Du solltest bei unserem Direktor reinschauen, Wanderer.«
    »Vielleicht möchtest du nach der Reise etwas essen?«, fragte die zweite.
    Martin schüttelte den Kopf und begab sich in des Direktors Heim. Im Zelt empfing ihn Kühle, eine angenehme Überraschung nach der Sonne, der er inzwischen überdrüssig war. Den Boden bedeckten getrocknete Algen, offenbar die gleichen, die auch das Feuer speisten. In einer Ecke hantierte ein dunkelhäutiger, schwarzhaariger Junge von etwa zwei Jahren mit bunten Plastikbauklötzen. Martin schien ihn freilich gleich einem funkelnagelneuen Spielzeug weit mehr zu interessieren, starrte der Knabe, den Finger im Mund, den Fremdling doch unverwandt an.
    Der Direktor saß auf einem Klappstuhl aus Plastik vor einem dazugehörigen Campingtisch. Darauf stand ein Notebook, auf dem Boden lagen beschriebene und bedruckte Blätter. Der Direktor hatte die vierzig bereits hinter sich. Im Unterschied zu den Frauen trug er lediglich Shorts. Sein Körperbau ließ eher an einen Leichtathleten als an einen Gelehrten denken. Auf die winzigen Tasten des Notebooks hämmerte er jedoch eifrig und höchst geschickt ein.
    Dem Beispiel des Jungen folgend, bedachte der Direktor Martin mit unverhohlener Neugier. Allein am Finger lutschte er nicht, vielmehr erstarrte er, sich auf dem wackeligen Stuhl gefährlich weit vorbeugend, in erwartungsvoller Haltung.
    Schweigend lächelte Martin.
    Schließlich streckte der Direktor, zu der Überzeugung gelangt, die Einleitung des Gesprächs obliege ihm, Martin die Hand entgegen. »Klim!«
    »Martim!«, erwiderte Martin mit derselben energischen Entschlossenheit. »Quatsch. Martin!«
    Der sekundenkurzen Verwirrung des Direktors folgte ein herzhaftes Lachen. Nachdem er Martin kräftig die Hand geschüttelt hatte, hieß er ihn mit einer Geste auf dem Boden Platz nehmen. Martin wusste das zu schätzen, denn im Zelt gab es nur einen Stuhl, der zudem eher als Machtsymbol denn als Möbel fungierte. Sie hockten sich vis-a-vis hin. Der Junge kroch mucksmäuschenstill um sie herum, um Martin von allen Seiten zu inspizieren.
    »Du bist Russe, Martin?«, erkundigte sich Klim. »Hast du die alte Komödie Operation ›Y‹ gesehen?«
    »Das habe ich«, erwiderte Martin.
    »Als Schurik die junge Frau kennenlernt, sich aber aus Versehen nicht als Schurik, sondern als Petja vorstellt.« Klim brach in schallendes Gelächter aus. »Blanker Unsinn, aber urkomisch!«
    Diplomatisch nickte Martin.
    »Nun gut«, murmelte Klim. »Ich gebe zu, der Vergleich hinkt ein wenig, aber trotzdem … Wann bist du angekommen?«
    »Gestern Abend«, antwortete Martin.
    »Und hast dich sofort zu uns begeben.« Klim nickte. »Aber ein Wissenschaftler bist du nicht.«
    »Universitäten hab ich keine abgeschlossen«, stieß Martin ins selbe Horn. »Nur drei Klassen in der Schule der Kirchgemeinde.«
    »Hör doch auf damit«, entrüstete sich Klim. »Die höhere Schulbildung steht dir auf der Stirn geschrieben. Humanistisch …« Er versank in Gedanken. »Nein, kein Arzt … kein Journalist und kein Philologie … Etwas Dämliches. Psychologe? Nein …«
    »Literatur«, gestand Martin.
    »Oho!«, staunte Klim. »Ein Schriftsteller auf der Suche nach einem Sujet? Der Epoche machende Roman Die Geheimnisse von Bibliothek!«
    Daraufhin beschloss Martin, die Karten auf den Tisch zu legen. »Ich bin Privatdetektiv.«
    »Hast du eine Lizenz?«, wollte Klim wissen.
    »Ja. Soll ich sie vorzeigen?«
    »Wozu?« Klim winkte ab. »Ich glaube dir auch so. Erzähl mir lieber, was du hier vorzufinden erwartet hast! Ein Faschistennest? Ein Nest chauvinistischer Menschen? Ein Kurhotel für durchgedrehte Wissenschaftler?«
    »In Hauptstadt hat man mir gesagt, euer Dorf würde keine Außerirdischen aufnehmen«, antwortete Martin ausweichend. »Da hat sich mir natürlich die Vermutung aufgedrängt …«
    »Reden wir doch Klartext«, unterbrach ihn Klim, abrupt den Gesprächsstil wechselnd. »Wir sind weder verrückt noch machen wir viel Gewese um die Reinheit menschlichen Bluts. Wir respektieren Außerirdische. Aber Bibliothek ist der Schlüssel zu uraltem Wissen. Eine Rasse, die darüber verfügt, wäre sogar den Schließern überlegen. Allein deshalb haben wir uns von anderen Forschern abgespalten. Denn dieses Geheimnis soll der Menschheit gehören.«
    Das ließ sich Martin durch den Kopf gehen. »Und wenn die Menschheit den Schließern erst einmal

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