Spektrum
Schließer mit Ihrem Geschwätz weichkochen! Auf diesem Planeten repräsentiere ich die zivilisierte Macht …«
»Ein Kchannan hat sie ermordet. Er hat einen Wurfspieß abgeschleudert, der aus einer Fischgräte angefertigt war. Er hat die Wirbelsäule getroffen und den Kehlkopf sowie die Zunge durchdrungen. Kein Wort konnte sie danach mehr sagen.«
Im Grunde interessierte Martin vor allem, wie David auf diese Bemerkung reagierte. Überraschung vorzutäuschen stellte niemals ein Problem dar. Weit schwieriger war es indes, Erleichterung zu verbergen.
Doch auf Davids Gesicht spiegelte sich nichts wider – ganz wie es einem Menschen ansteht, der über tausend intelligente Wesen von unterschiedlichen Planeten herrschte.
»Glauben Sie, man wollte verhindern, dass Sie mit Ihnen spricht?«, fragte David.
»Das wäre denkbar. Ich bin nicht darüber im Bilde, wie die Kchannan normalerweise Menschen umbringen.«
»Normalerweise bringen sie überhaupt keine Menschen um«, entgegnete David. »Kadrach!«
Aus dem Zelt trat der Geddar heraus, mit nacktem Oberkörper, weiten, plissierten orangefarbenen Hosen und dem auf den nackten Rücken geschnallten Schwert. Im Halbdunkel erinnerte er stark an einen Menschen, einzig das Fehlen von Bauchnabel und Brustwarzen verrieten das Wesen einer anderen biologischen Art in ihm.
»Ich habe alles gehört«, informierte der Geddar die beiden. »Die Kchannan töten keine Menschen.«
»Weil sie es nicht können oder weil sie es nicht dürfen?«
Kurz zögernd, überlegte der Geddar anscheinend, ob er diese Frage mit einem Fremdling diskutieren sollte. »Weil sie es nicht dürfen«, meinte er dann kopfschüttelnd. »Möglich ist alles, aber nicht alles ist erlaubt. Die Kchannan sind Gefährten, Freunde, Jäger.«
»Wachhunde?«, schlug Martin vor.
»Nein. Ein Kchannan stürzt sich in den Kampf, wenn seinem Freund Gefahr droht. Aber ein Kchannan, der ein intelligentes Wesen anfällt, sollte getötet werden.«
»Selbst wenn er keinen Geddar angreift? Sondern ein x-beliebiges intelligentes Wesen?«, fragte Martin zurück.
Auf Kadrachs Gesicht zeichnete sich etwas ab, das Verachtung sehr nahe kam. »Selbstverständlich. Ihrem Verstand gebricht es noch an Eigenständigkeit, aber sie sind wesentlich klüger als Ihre Hunde. Wenn man ihnen erlauben würde, intelligente Wesen umzubringen, würde dies unserer Rasse nur schaden. Kein Geddar würde es seinem Kchannan gestatten, Menschen anzugreifen.«
»Es gibt noch eine andere Möglichkeit«, wagte Martin sich behutsam vor. »Der Geddar hätte den Befehl in dem Wissen gegeben haben können, dass der Kchannan sterben würde.«
Mit seinem anhaltenden Schweigen ließ Kadrach Martin ausreichend Zeit, seine Worte zu bedauern. »Diese Variante wäre denkbar«, sagte Kadrach schließlich. »Ein Geddar könnte einen Befehl erteilen und dabei sicher sein, dass der Kchannan sterben wird. Es wäre ein Verbrechen, aber möglich.«
»Nur ein Geddar? Oder könnte auch ein Mensch oder ein Wesen einer anderen Rasse einen Kchannan zähmen?«
»Ja«, bestätigte der Geddar ohne zu zögern. Nunmehr schien sich auf seinem Gesicht Erleichterung abzuzeichnen. »Das ist schon vorgekommen. Viele wünschen sich einen Kchannan zum Freund, weshalb wir ja auch Junge herbringen.«
»Sie müssen denjenigen finden, der den Befehl gegeben hat«, sagte Martin. Er ordnete das nicht an, nein, er konstatierte lediglich eine Tatsache. »Ist das schwierig?«
»Ein Kchannan kann nur einen Herrn haben«, erklärte der Geddar. »Ein Herr wiederum kann nicht mehr als einen Kchannan halten. Sie sind fürchterlich eifersüchtig. Wenn jemand einen Kchannan vermisst, dann ist das der Schuldige …« Der Geddar schüttelte den Kopf, um dann zu einem überraschenden Schluss zu gelangen: »Es wird sehr schwer werden, den Mörder zu finden.«
»Warum?«, wunderte sich Martin. »Man brauchte doch nur die Kchannan durchzuzählen …«
»In unserem Dorf gibt es einhundertunddreißig Kchannan«, erklärte der Geddar mit Bestimmtheit. »In Zentrum leben weitere achtzehn. Unsere kann ich innerhalb von einer Stunde zusammentreiben und zählen. Morgen wissen wir, ob die Kchannan in Zentrum vollzählig sind. Aber nur ein dummer Mörder würde seinen Kchannan in den Tod schicken.« Nach kurzem Schweigen erklärte er. »Ich glaube nicht, dass der Mörder so dumm ist. Ich glaube, es wird kein Kchannan fehlen.«
»Ist es schon einmal vorgekommen, dass ein Kchannan entlaufen ist?«, fragte Martin.
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