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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Eine Kühlschrankinspektion trug ihm eine gewisse Tristesse ein und ließ ihn sogar mit dem Gedanken spielen, in einem Restaurant eine Pekingente zu erwerben und selbige als der eigenen Hände Arbeit auszugeben. Doch der Abscheu vor einem solch ruchlosen Schritt überwog die momentane Schwäche, worauf Martin beschloss, sich in einen ehrlichen Kampf zu stürzen.
    Dem Tiefkühlfach entnahm er vor einiger Zeit hergestellte sibirische Pelmeni, schlichte Kost, die indes unter kundigen Händen ihre besten Seiten zu entfalten vermochte. Ach, wie erniedrigte und beleidigte man selbstgemachte Pelmeni doch mit all jenen schlaffen Teigklumpen samt ihrer Füllung aus Abfallprodukten, welche, angetan mit einem zellophanenen Leichengewand, im Regal der nämlichen Abteilung im Supermarkt ihr gekühltes Dasein fristeten. Man darf dem falschen Lächeln der stets hungrigen Reklamehelden keinen Glauben schenken, fänden diese sich doch ohne weiteres dazu bereit, rohe Brühwürfel zu zerkauen! Auch auf die Etikettierung »handgeformt« sollte man nicht hereinfallen, denn Maschinen hantierten unterdessen mit allerlei linken und rechten Händen. »Handgeformt«? Ja hat denn je einer diese Hände zu Gesicht bekommen?
    Nein, nein und nochmals nein!
    Echte Pelmeni kann man nur allein – allenfalls noch mit auserwählten, erprobten Freunden und Angehörigen des Haushalts – herstellen. Drei Sorten Fleisch sind zu empfehlen, jedoch nicht entscheidend. Weit wichtiger ist es, ausgewogen zu würzen, besonderes Maß sollte man beim Piment halten, großzügiger darf man Paprika einsetzen, obgleich wahre Kenner gänzlich auf dieses Gewürz verzichten. Die Kräuter, mit denen der schwere moldawische Boden Moskauer und Petersburger üppig beschenkt, leisten diesbezüglich gute Dienste. Jemand aus dem europäischen Teil Russlands sollte bereits im Frühjahr daran denken, Entsprechendes auf der Datscha zu säen. Sibirier haben es einfacher, sie brauchen nur in den Garten hinterm Haus zu gehen, bestenfalls ins nächste Wäldchen zu schlendern – und schon offenbart sich ihnen der ganze Reichtum der Taigakräuter. Noch bequemer ist es für all diejenigen, die als Kind nie an einer Schneeballschlacht teilgenommen haben, die in Asien oder auf der Krim leben, wo weithin alles, einfach alles, was nur sprießt, alles, was nicht giftig ist, zum Gewürz taugt. Unter keinen Umständen sollte man indes auf eine fertige Würzmischung zurückgreifen, schon gar nicht auf solche polnischer oder französischer Provenienz! Denn was, bitte schön, verstehen Polen und Franzosen schon von unseren, von russischen Pelmeni?!
    Martin liebte Pelmeni, bereitete den Teig mit großem Vergnügen zu, mit Herz sozusagen, während nebenbei der Fernseher lief und die Nachrichten verbrummelte. Geformt wurden die Pelmeni anschließend bei guter klassischer Musik. Rock verlieh ihnen eine ungewollt kantige Form, Pop brachte Monster hervor, die an alle nahen Verwandten zugleich denken ließen, an die usbekischen Manti, die tatarischen Etschpotschmaki und die armseligen italienischen Ravioli.
    Bekanntlich ist das entscheidende Merkmal guter Pelmeni der kräftige, schmackhafte Teig, der, dem Fleisch als Täschlein dienend, selbiges in einem Hauch der eigenen fetten Brühe wie in einem Dampfbad köcheln lässt. Ein Jammer ist es mit all jenen Pelmeni, die beim Kochen auseinanderfallen oder bei denen der Teig erbarmungslos um das Fleisch geklatscht wird, denn ihre wertvolle Brühe verströmt völlig ziellos im Topf.
    Den Tisch deckte Martin schlicht ein, in der Küche. In zwei Schüsselchen füllte er dicke Smetana, echte russische Smetana, kein europäisches Imitat à la saure Sahne mit Verdickungsmitteln, Antioxidantien und dergleichen Giftzeug. Den Ketchup brachte er, wiewohl er eine leichte Schwäche für ihn hegte, in Sicherheit, da er die Anspielungen onkellicherseits fürchtete, die allesamt nur recht und billig wären. Als im Treppenhaus der alte Lift polterte, witterte Martin instinktiv die Ankunft seines Onkels, worauf er die Pelmeni in kochendes Wasser gab und dem Kühlschrank eine Flasche Russischer Standard entnahm, den einzigen Wodka, den die kranke Leber des Onkels ihm zu trinken gestattete. Die Flasche fasste keinen halben Liter, was unweigerlich nach einer zweiten verlangt hätte, auch keinen ganzen, wie er nur jungen und folglich leichtsinnigen Menschen zustand. Null Komma sieben fasste sie, wie es sich für kultivierte und maßvoll trinkende Russen geziemte, die weder bis

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