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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Madeirafass gereift, und rauchten unter den Klängen der von beiden geschätzten Rockgruppe Piknik ihre Zigarren.
    Piknik sang von jemandem, der mit Sicherheit noch von sich reden machen würde, handelte es sich bei ihm doch um einen herausragenden Experten für Lachgas. Obgleich Martin derart simple diagnostische Methoden eigentlich nicht billigen konnte, wippte sein Bein im sanften Takt der Musik, und bei den Worten »Dieses Glück widerfährt nur einem von hundert« fing er sogar an, leise mitzusingen.
    »Woran arbeitest du gerade, Mart?«, fragte Shenka, der mit der Zigarre herumfuhrwerkte, als wolle er rauchige Buchstaben in die Luft schreiben.
    »An allerlei Krimskrams«, gestand Martin. Sein Bruder war das einzige Familienmitglied, das seinen wahren Beruf kannte. Dennoch sprachen sie nur selten über Einzelheiten, abgesehen von komischen Geschichten, bei denen niemandem Gefahr drohte.
    »Ermittelst du in einer wichtigen Sache?«, ließ Shenka nicht locker.
    »Ich schließe gerade eine ab«, sagte Martin. »Genauer, ich habe sie fast abgeschlossen. Nichts Großes. Ein Mädel ist von zuhause weggelaufen und auf einem anderen Planeten auf tragische Weise ums Leben gekommen.«
    »Und was ist daran noch unklar?«, hakte Shenka nach.
    Nach kurzem Nachdenken beschloss Martin, es schade im Grunde nichts, offen über alles zu reden.
    »Das Mädchen hat mir noch etwas mitgeteilt. Sprechen konnte sie da schon nicht mehr … deshalb hat sie zu touristischer Gebärdensprache gegriffen. Vermutlich hat das gar nichts zu bedeuten, doch ich will der Sache auf den Grund gehen. Es würde mir nicht behagen, ihre Eltern zu informieren, solange noch Unklarheiten bestehen.«
    »Jemand hat mich nach dir gefragt«, gestand Shenka. »Ein Mann … es schien ein zufälliges Gespräch zu sein … Aber ich weiß ein bisschen was über ihn … Er arbeitet bei den Organen.«
    »Bei der Polizei?«, fragte Martin, ohne sich allzu erschüttert zu zeigen. Ernesto Poluschkin könnten die Strafverfolgungsbehörden durchaus ins Auge gefasst haben.
    »Staatssicherheit.«
    »Was wollen die denn von mir?«, empörte sich Martin. »Ich zahl meinen Tribut, spioniere nicht, und wenn mir etwas Interessantes auffällt, melde ich es.«
    Als Tribut bezeichnete Martin die fiktiven Geschichten, von denen er glaubte, sie könnten den Schließern gefallen. Die Regierung legte stillschweigend allen, die über die entsprechende Gabe verfügten, nahe, drei bis vier Geschichten pro Jahr für den staatlichen Bedarf zu verfassen. Dafür erhielten sie sogar ein bescheidenes Entgelt. Martin drückte sich um diese Aufgabe nicht, schummelte nicht, sondern setzte sich viermal im Jahr brav an den Schreibtisch und versuchte, sich etwas Brauchbares einfallen zu lasen. Da seine Geschichten dankbar und mit regem Interesse angenommen wurden, darüber hinaus niemand weitere Forderungen stellte, mussten einige von ihnen wohl tatsächlich etwas getaugt haben. Andere dürften die Schließer auch zurückgewiesen haben. Kurz gesagt, alles wie gehabt. Die Berichte schrieb Martin ebenfalls unregelmäßig, doch wenn die reale Situation auf einem Planeten in krassem Widerspruch zu den Angaben in Nachschlagewerken und Zeitungen stand, informierte er die Universität für galaktische Forschungen darüber, eine formal gemeinnützige Institution, die jedoch eigentlich der Regierung unterstand.
    »Das weiß ich doch nicht«, sagte Shenka, während er an seinem Whisky nippte. »Aber ich glaube, dass sie dein aktueller Fall interessiert. Lass um Gottes willen die Finger von der Politik!«
    Beinahe hätte Martin mit etwas Gemeinem und Oberlehrerhaftem wie »Bring dem Vater nicht das Kindermachen bei« gekontert, doch ihm fiel noch rechtzeitig ein, dass sein kleiner Bruder ihn in ebendieser Frage unterdessen weit hinter sich ließ und durchaus in der Lage wäre, ein paar einschlägige Seminare abzuhalten. Im Großen und Ganzen gab Shenka einen rechten Luftikus und Nichtsnutz ab, aber in seinen Beziehungen zum schwachen Geschlecht verstand er es, konzentriert, angemessen und erbarmungslos erfolgreich aufzutreten.
    »Ich habe nicht vor, mich in irgendetwas einzumischen, Bruderherz«, meinte Martin deshalb bloß. »Und für dich wäre es längst an der Zeit, nicht mehr den ewigen Studenten zu mimen, sondern dir eine Arbeit zu suchen.«
    Nach diesem heimtückischen Schlag verzichtete Shenka schmollend auf weitere Gardinenpredigten. Das machte eine zweite Runde Whisky erforderlich, damit der Frieden

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