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SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition)

SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition)

Titel: SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Mascolo
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Berichte lesen.
    Er hat ein Büro in den Londoner Docklands, Canary Wharf, ein Businesszentrum mit schimmernden Fassaden und Latte-macchiato-Bars auf den Ruinen der alten, schwerindustriellen Gesellschaft. Auch Lehman Brothers residierte hier, bis zum Schluss.
    Die Kreditwürdigkeit eines Landes wird in Buchstaben ausgedrückt, AAA ist die Bestnote, sie bedeutet eine Kreditausfallwahrscheinlichkeit nahe null, C heißt, dass der Gläubiger sein Geld höchstwahrscheinlich nie wiedersieht, D wäre im Schulzeugnis eine glatte Sechs: Totalausfall. Dieses Ranking hatten die Bonds des russischen Zaren nach der Oktoberrevolution. So weit ist Griechenland noch nicht.
    Die rein wirtschaftlichen Kriterien lassen sich ziemlich einfach herauslesen aus den Tabellen von Zentralbanken, Eurostat oder IWF. Der Aspekt "Politik" eines Landes lässt sich jedoch nicht mit dem Taschenrechner kalkulieren. Dabei geht es um das Funktionieren einer Verwaltung, um Korruption, starke Gewerkschaften, darum, wie rebellisch die Jugend ist oder wie führungsstark ein Regierungschef, es sind die weichen, dennoch wichtigen Faktoren.
    Marko Mršnik trifft sich deshalb mit Journalisten, Bankern, Analysten.
    Die Abwertung des Landes begründet er so: "Die anhaltende Finanz- und Wirtschaftskrise hat unserer Ansicht nach einen grundlegenden Verlust an Wettbewerbsfähigkeit in der griechischen Wirtschaft verstärkt." Nach diesen Sätzen stürzen die Kurse an der Athener Börse ab. Und die Zinsen steigen. Die Käufer griechischer Staatsanleihen wollen für das steigende Risiko belohnt werden, sie verlangen eine höhere Prämie. Wenn sich Griechenland nun eine Milliarde Euro leihen will, also Anleihen im Wert von einer Milliarde verkaufen will, muss das Land 2,8 Millionen Euro mehr Zinsen versprechen als Deutschland. Die Schuldenlast steigt. Und steigt immer weiter.
    Aufgeschreckt durch die Abstufung leitet die EU-Kommission erneut ein Defizitverfahren gegen Griechenland ein, es ist eine hilflose Geste, und das Strafverfahren bleibt, wieder einmal, man ist versucht zu sagen: natürlich, ohne Ergebnis. Bis heute ist kein Euro-Land, trotz vieler festgestellter Regelverletzungen, bestraft worden. Der Sanktionsmechanismus der Euro-Zone ist eine leere Drohung. Und er war von Anfang an falsch gedacht: Wie sinnvoll ist es, ein Land in Geldnot mit Geldbußen zu bestrafen?
    Im Oktober 2009 löst die neue Regierung unter dem Sozialisten Papandreou die konservative Regierung in Athen ab. Nach dem Wahlsieg schreibt Marko Mršnik ein vertrauliches Papier an die Kunden von Standard & Poor's: "Angesichts der wiederholten Haushaltsentgleisungen der verschiedenen griechischen Regierungen bleibt abzuwarten, ob die neue Regierung den Willen hat, eine glaubhafte Budgetstrategie umzusetzen." Das klingt diplomatisch. Aber es ist rei-ner Sarkasmus. Die Anleger verstehen die Botschaft: Der Abstieg der Greek-Bonds vom Wertpapier zum Junk-Fetzen, von Sicherheit zu Casino-Chip, von Zuversicht zu Depression beschleunigt sich. Es beginnt die griechische Tragödie.
    [III. AKT]
Die Krise des Euro
(2010/11)
    Wie Griechenland zum Spielball der Investoren wird. Wie die Europäische Zentralbank auf Abwege gerät. Warum die Griechen die Welt nicht mehr verstehen. Wie die Wette von Maastricht platzt.
    Bei Standard & Poor's haben Mršniks Analysten ausgerechnet, dass Griechenlands Verschuldung im Jahr 2010 auf 125 Prozent der Wirtschaftsleistung ansteigen wird. Noch am selben Tag wird es teurer, griechische Anleihen gegen den Ausfall abzusichern. Die Ausfallversicherungen, in der Marktsprache Credit Default Swaps (CDSs) genannt, zeigen an, wie schlecht es um Griechenland steht. Es kostet jetzt 189   000 Dollar im Jahr, eine Zehn-Millionen-Anleihe Griechenlands gegen Ausfall zu versichern. Für die Großinvestoren heißt das: raus aus Griechenland.
    Auch in Kalifornien, in Newport Beach, eine Autostunde südlich von Los Angeles, sind ein paar Leute nervös geworden. Dort hat die Pacific Investment Company (Pimco) ihren Firmensitz.
    Pimco ist mit Abstand der weltgrößte Investor in Staatsanleihen. Das Unternehmen leiht den Staaten Geld, indem es deren Schuldverschreibungen kauft. Wenn Pimco nicht mehr kauft, ist das ein deutliches Zeichen, dass einem Land erst die Krise, dann die Pleite droht.
    Pimco herrscht – im Auftrag seiner Kunden – über 1300 Milliarden Dollar. Es ist eine absurde Zahl, selbst in dieser Zeit der Superlative, in der Rettungsschirme gespannt und Banken mit endlosen

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