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Staatsanleihen aus den fünf Krisenländern angelegt. Und die griechischen Banken allein halten griechische Staatsanleihen im Wert von 50 Milliarden. Mit dem Rating der Staatspapiere fällt auch das Rating der griechischen Banken. Es ist eine Kettenreaktion, sie bleibt nicht an Griechenlands Grenzen einfach stehen.
Staatsanleihen dienen auch als Sicherheit, wenn Banken bei der Europäischen Zentralbank selbst Geld aufnehmen. Die Anleihen sind im Geldverkehr ein zentrales Kettenglied, wird ihr Wert zweifelhaft, gerät die monetäre Versorgung der Volkswirtschaft ins Stocken.
Griechenland rudert in einem Sturm des Misstrauens, der von den Rating-Agenturen entfacht und von den Finanzmärkten gesteigert wird. Je tiefer das Rating sinkt, desto teurer wird es, die Schulden zu refinanzieren, desto größer werden die Schulden, desto tiefer ist das Ranking und so weiter. Nun beginnt die große Zeit der Devisenhändler, Hedgefonds und Spekulanten. Sie können auf einen Zerfall des Euro wetten und auf eine Rettung der Griechen durch die Euro-Partner. Sie bedienen sich unter anderem der Kreditausfallversicherungen, der CDSs, die schon nach der Lehman-Pleite die Finanzkrise um den ganzen Globus getragen hatten.
Eigentlich gedacht, um das Risiko von Kreditausfällen zu versichern, kann man mit ihnen auch spekulieren, wenn man keine Staatsanleihen besitzt. Es ist, als ob jemand eine Feuerschutzversicherung für ein Haus abschließt, das ihm nicht gehört. Er wird – möglicherweise – großes Interesse daran haben, dass das Haus in Flammen aufgeht. Wer Ausfallversicherungen für griechische Staatsanleihen kauft, ohne selbst Staatsanleihen zu besitzen, der wettet darauf, dass sie an Wert verlieren. Denn dann kann er die Versicherung später teurer verkaufen.
Außerhalb der Börsen ist ein grauer CDSs-Markt entstanden, 26 Billionen Euro schwer. Innerhalb weniger Wochen verdoppelt sich die Prämie, die gezahlt werden muss, um eine griechische Staatsanleihe abzusichern, die Prämie ist nun zehnmal höher als die Prämie für eine deutsche Anleihe.
Im Juni 2010 wird Griechenlands Kreditwürdigkeit wegen "beträchtlicher" gesamtwirtschaftlicher Risiken um vier weitere Stufen gesenkt, die Staatsanleihen werden Ramschware. Die Anleger im eigenen Land haben längst begonnen, ihr Geld nach Zypern, Malta, in die Schweiz zu bringen. Griechenland ist aus der Familie kreditwürdiger Staaten ausgestoßen. Fast noch schlimmer aber ist, für das gesamte Euro-Projekt, dass die Herabstufung kommt, obwohl Europa meint, kraftvoll und entschlossen reagiert und die griechische Krise im Griff zu haben.
Denn einen Monat zuvor, im Mai 2010, hat die Europäische Zentralbank griechische Staatsanleihen für 25 Milliarden Euro aufgekauft. Sie tat das, um die Kurse der Anleihen zu stabilisieren, den Markt zu beruhigen, was nur für ein paar Tage gelang.
Sie wird von nun an immer mehr griechische Anleihen kaufen, auch 2011 noch, bald auch portugiesische, italienische, spanische. Die EZB lädt sich das eigene Haus, das als Hort der Euro-Stabilität gedacht war, als Fort Knox der neuen Währung, mit Ramschpapieren voll. Sie ruiniert die Glaubwürdigkeit des Euro.
Und immer kehren die Fragen des Anfangs wieder: Warum glaubten die Regierenden Frankreichs, Deutschlands und neun anderer Staaten, Griechenlands Art des Wirtschaftens könne mit anderen Volkswirtschaften unter dem Dach einer gemeinsamen Währung harmonieren? Wie ist es möglich, dass man eine Währung ausschließlich für gute Zeiten entwarf, für Phasen des Wachstums – die dann in einer Krise unter bedrohlichen Stress gerät?
Der Aufstand der Lkw-Fahrer
In Griechenland löst der Absturz der Staatsanleihen vor allem Unruhe aus, weil die Hilfsmaßnahmen der EU gebunden sind an Sparauflagen und die Forderung nach harten Reformen. Der Staat soll den über Jahrzehnte aufgeblähten Öffentlichen Dienst um ein Fünftel verkleinern. Die Märkte sollen liberalisiert werden, um mehr Wachstum zu ermöglichen.
Als Lastwagenfahrer gehört Antonis Dimitriadis zur Gruppe der "kleista epaggelmata", der geschlossenen Gewerbe, zu einem arbeitsrechtlichen Kuriosum Griechenlands, wozu rund 70 Berufe zählen, und zwar nicht nur Rechtsanwälte und Notare, sondern eben auch Architekten und Taxifahrer. Es sind die Angehörigen dieser Zünfte, die seit dem Beginn der Reformen auf die Barrikaden gehen, weil sie ihre Privilegien verlieren. Für sie hat bisher nicht der Markt die Regeln festgelegt, sondern der
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