Spiegelkind (German Edition)
Mutter will es nicht«, flüsterte sie.
»Aber ich will es wissen!«, rief ich sauer. »Ich will sie endlich wiedersehen, und bevor ich mich für die angeblich so schmucke Goldkapsel um mich herum bedanke, soll sie mir erklären, was das alles soll! Sie hätte mir lieber ein bisschen über sich erzählen sollen, statt mich in Kapseln zu stecken.«
»Das habe ich ihr auch gesagt.« Floria nickte. »Sie soll dich und deine Geschwister darauf vorbereiten, was sie erwartet, genau so habe ich es ihr gesagt. Weißt du, was sie darauf geantwortet hat?«
»Was?«
»Wenn die vermeintliche Vorbereitung darin besteht, die Kinder vorzeitig unglücklich zu machen, dann kämpfe ich um jeden glücklichen Tag, den sie haben können.«
Ich knurrte nur, aber Floria breitete ratlos die Arme aus.
»Ich habe sie gewarnt. Dieser ganze Pakt war ein Fehler. Sie wollte nichts hören, ging immer vom Besten aus. Als ob man sich als Phee Optimismus leisten könnte.«
»Wovon sprichst du?«
Als wüsste ich es nicht selber. Es ging um das, was meine Eltern miteinander vereinbart hatten. Etwas, was den ersten Baustein meines Lebens gelegt hatte. Wovon ich schon geträumt hatte.
»Seid ihr befreundet, du und meine Mutter?«, fragte ich.
Floria sah mich entgeistert an. »Wir sind Schwestern.«
»Was? Nennt man das bei euch einfach so? Oder habt ihr wirklich dieselben Eltern? Oder sind alle Pheen automatisch Schwestern?«
Floria sagte nichts.
»Hast du denn Kinder?«, fragte ich.
Floria schüttelte entrüstet den Kopf. »Gott sei Dank nicht. Bei mir war es nie so dringend wie bei Laura. Deswegen begegne ich Normalen nur hier in diesem Raum, wo ich Räucherstäbchen verbrenne und Hokuspokus betreibe. Abends gehe ich aus und morgens schlafe ich. Windeln wechseln war noch nie mein Ding!«
»Ich brauche längst keine Windeln mehr«, sagte ich beleidigt. »Und meine Geschwister auch nicht. Warum können Pheen eigentlich nicht einfach einen dieser reizenden Freaks heiraten, die sie sowieso vergöttern?«
»So steht es eben in den Gesetzen«, sagte Floria. »Will eine Phee Kinder haben, muss sie sich mit einem Normalen zusammentun. Dabei läuft sie Gefahr, sich selbst zu verlieren. Die Mädchen werden mit fünfzigprozentiger Wahrscheinlichkeit selber Pheen und die Jungs …«
Ich starrte sie an. Das alles hatte ich schon irgendwo gehört.
»Halt«, sagte ich. »Was ist das, was du gerade sagst?«
»Es sind unsere Gesetze«, sagte Floria.
»Und wer stellt sie auf?«
»Niemand stellt sie auf. Sie sind einfach da. Es bestimmt schließlich auch niemand, dass es im Sommer heiß sein muss und im Winter kalt.«
»Eine Art Naturgesetz?«
»Weißt du, was«, sagte Floria. »Hat mich nie besonders interessiert, wer es festgemacht hat. Mir reicht zu wissen, dass es so ist.«
Dann verfielen wir beide in Schweigen. Ich dachte daran, wie weit ich schon gekommen war und meinem Ziel trotzdem kein bisschen näher. Und dass ich Floria noch nicht nach dem Wichtigsten gefragt hatte.
»Floria«, sagte ich. »Wo ist meine Mutter? Ich habe herausgefunden, dass sie auf der schwarzen Liste stand, aber nicht im Dementio angekommen ist. Dass es offenbar einen Einsatz der Sonderbrigade bei uns zu Hause gegeben hat, aber irgendwas schiefgelaufen ist. Aber was genau?«
Sie sah mich schweigend an.
»Sie kann sich nicht einfach in Luft aufgelöst haben. Du musst mir helfen. Du musst.«
»Das darfst du nicht wissen«, flüsterte Floria.
»Wer sagt das? Meine Mutter?«
»Nein.«
»Eure verdammten Gesetze?«
Floria antwortete nichts.
»Ist sie in Sicherheit? Du musst es mir sagen!«, brüllte ich. »Ich bin ihre Tochter. Wenn du mir nicht hilfst, wer dann?«
Floria presste die Hände an die Schläfen, schloss die Augen und verharrte einen Augenblick so. Dann sah sie mich an. Sie hatte sich entschieden.
»Dein Vater hat sie heimlich auf diese Liste setzen lassen, um Vorteile im Sorgerecht zu bekommen. Er hat damit die Vereinbarung gebrochen, die sie getroffen haben. Aber noch während des Einsatzes konnte sie fliehen. Sie ist in Sicherheit und es geht ihr den Umständen entsprechend gut.«
Ich wusste nicht, ob ich Floria jetzt um den Hals fallen oder ihrem Rollstuhl, der hinter mir stand, einen gewaltigen Tritt versetzen sollte. Deswegen blieb ich einfach sitzen, die Hände im Schoß gefaltet, und versuchte zu begreifen, was sie mir da gerade erzählt hatte.
Ich trat vor die Tür, schaute mich um und im selben Moment fegte das Moped um die Ecke.
»Du
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