Spiegelschatten (German Edition)
befreit?
Björn, Josch und Eileen falten die Transparente zusammen und verstauen sie in Joschs uraltem Kombi. Ebenso die Körbe, in denen die Teelichter aufbewahrt wurden. Sie werden später zurückkommen, um wieder Ordnung zu schaffen, doch nicht, bevor das letzte Licht erloschen ist.
Ingo steht bei ihnen, um sie um ein paar Informationen zu bitten. Bisher ist keine ironische Silbe über seine Lippen gekommen.
Es ist vorbei. Einzig Björns Freunde sind geblieben.
Und ein Mädchen, das ein wenig abseits steht.
Jette.
Sie sieht her zu mir, hebt leicht die Hand und winkt.
Jetzt ist es nicht mehr so schlimm, dass Helen nicht kommen konnte.
Bert hatte sich mit Titus Rosenbaum darauf geeinigt, dass sie den Ablauf der Veranstaltung nicht stören wollten. Eine Bonner Kollegin hatte unauffällig Fotos gemacht und versprochen, sie Titus und Bert in den nächsten beiden Stunden auf ihre Rechner zu schicken. Mehr war nicht nötig.
Nicht heute.
Nachdem Titus sich verabschiedet hatte, war Bert noch geblieben. Er beobachtete, wie die Versammlung sich nach und nach auflöste. Viele der Teilnehmer trugen demonstrativ ein Abzeichen mit dem Rosa Winkel, und Bert bemerkte, dass die meisten es auch nach dem Ende der Aktion anbehielten.
Er war beeindruckt von dieser Trauerfeier, die in ihrer Schlichtheit ohne Umschweife sein Herz berührt hatte. Gewaltfreier Widerstand, hier war er, und er prägte sich jedem ein, der Zeuge davon geworden war.
Allmählich erhoben sich die Stimmen der Marktfrauen wieder, boten Salat und die ersten Erdbeeren an, obwohl noch gar nicht die Zeit dafür war. Als hätte jemand den für eine Weile gestoppten Film der Wirklichkeit weiterlaufen lassen, dachte Bert. Er beschloss, noch ein paar Worte mit Björn Berner zu wechseln, der mit einigen jungen Leuten zusammenstand, die wohl ebenfalls für die Organisation verantwortlich gewesen waren.
Als er sich ihnen näherte, sah er, dass sie alle den Rosa Winkel trugen. Anscheinend hatte er mit erkennbarem Interesse hingesehen, denn als er schließlich vor ihnen stand, lächelte Björn Berner ihn an.
» Wollen Sie auch einen?« Er hielt ihm einen Button hin.
Bert nahm ihn. Er wog leicht in seiner Hand.
Maxim Winter stand neben seinem Freund und behielt konzentriert die Menschen ringsum im Blick.
Wie ein Bodyguard, dachte Bert.
» Gibt es noch etwas, das wir wissen sollten?«, fragte er. » Auch scheinbar Unwichtiges kann uns bei der Arbeit helfen.«
Björn Berner schüttelte den Kopf, aber sein Freund schien mit sich zu kämpfen.
» Ich höre«, sagte Bert, den Blick unverwandt auf Maxim Winters Gesicht gerichtet.
» Es hat vielleicht gar nichts zu bedeuten«, sagte der junge Mann stockend, » und ich würde es nicht erwähnen, wenn Sie nicht…« Er sah sich um, als wollte er sichergehen, dass niemand sie belauschte. » …aber ich hab schon ein paar Mal den Eindruck gehabt, dass mich jemand beobachtet.«
» Was?« Björn Berner war blass geworden.
» Na ja, es war nur so ein Gefühl. Wahrscheinlich Einbildung. Bei uns allen liegen doch die Nerven blank, nachdem das … passiert ist.«
» Ist Ihnen jemand aufgefallen?«, fragte Bert.
» Nein.«
» Sind Ihnen seltsame Dinge zugestoßen?«
» Nein.« Maxim Winter stieß verlegen die Hände in die Taschen seiner Jacke. » Ich sag ja– wahrscheinlich hab ich mir das nur eingebildet.«
» Wieso hast du mir nichts davon erzählt?«, fragte Björn Berner.
Maxim Winters Miene verschloss sich wieder. Offenbar bereute er schon, sich offenbart zu haben.
» Sobald etwas passiert, das Ihnen merkwürdig vorkommt«, sagte Bert, » rufen Sie mich bitte sofort an. Versprechen Sie mir das?«
Beide nickten.
» Vorsichtshalber lasse ich Ihnen noch einmal meine Karte da.«
Bert verabschiedete sich von ihnen und wandte sich Richtung Friedensplatz. Er hatte die letzten Marktstände hinter sich gelassen, als er das unverkennbare Rufen der Zugvögel hörte. Er blieb stehen und legte den Kopf in den Nacken. Es war ein Wunder, jedes Jahr wieder. Über Tausende von Kilometern kehrten sie aus ihrem Winterquartier zurück, und in ihren Rufen steckte die erste Vorahnung vom Duft des Sommers.
Ein Lächeln glitt über Berts Gesicht.
Hallo, dachte er fast zärtlich. Herzlich willkommen zu Hause.
*
» Der Kommissar«, sagte Jette. » Gut, dass er mich nicht gesehen hat.«
Romy musterte das Gesicht des Mädchens. » Warum? Hast du Dreck am Stecken?«
» Wir sind alte Bekannte.« Jette blickte dem Kommissar
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