Spiel, bis du stirbst (Samantha Veselkova Krimi) (German Edition)
Klappe!“, herrschte der Schotte ihn an.
„Nein, ich will nichts mehr damit zu tun haben!“, rief Leatherman. „Ich habe mit den Toten nichts zu tun, das wart ihr, nicht ich!“
Der Mann schwitzte. In seinen Augen glänzte der Wahnsinn. Sam vermutete, dass er schon lange mit der Sache überfordert gewesen und ein nervliches Wrack war.
Der Schotte ohrfeigte ihn mit seiner freien Hand, während die andere die Pistole hielt. „Sei ruhig! Als du im Mund der kleinen Debi gekommen bist, während sie gewimmert hat, hast du sehr wohl etwas damit zu tun gehabt.“
„Aber meine Herren“, mischte sich Sam ein. Sie hatte sich wieder gefangen. Der Schwindel war verschwunden. Ihre Stimme war laut und durchdringend. Sie hatte einen freundlichen Ton hineingelegt. „Sich gegenseitig die Schuld zuzuweisen, bringt doch auch nichts. Vielleicht sind Sie ja beide unschuldig, und Herbert Storckmann trägt die ganze Verantwortung. Ob man Ihnen glauben wird, hängt sicher zu einem Großteil von meiner Aussage ab. Vielleicht sollten Sie sich überlegen, wie sie mit mir weiter verfahren, bevor meine Kollegen hier sind und mich gefesselt vorfinden.“
Sie musste sich beeilen. Wenn Marias Mann erstmal auftauchte, fiel ihr ganzer Bluff wie ein Kartenhaus zusammen. Sie hatte die Angst und Unsicherheit der Männer durchschaut und musste nun versuchen, diese noch zu schüren.
Der Schotte war noch nicht ganz überzeugt. „Vielleicht erfinden Sie das alles nur“, machte er noch einen halbherzigen Versuch.
„Ach ja?“, fragte Sam und ging einen Schritt auf ihn zu. „Dann fragen Sie sich doch mal, warum ich in der stärkeren Position bin, obwohl Sie mich gefesselt haben?“ Dabei machte sie einen weiteren, kleinen Schritt in seine Richtung. „Ich könnte Sie beide töten, wenn ich wollte, auch ohne meine Hände zu benutzen.“
Sie übertrieb absichtlich, um zunächst ein Bild aufzubauen, welches für die Männer völlig unglaubwürdig sein musste. Als der Schotte jetzt grinsend zu seinem Partner sah, nutzte Sam seine Unachtsamkeit aus. Sie war sich sicher, dass Leatherman nicht schießen würde. Ihn hatte sie bereits soweit, dass er sich vor Angst in die Hosen machte. Daher war ihr erstes Ziel der Schotte. Katzenartig tänzelte sie noch einen Schritt vor und führte einen schnellen Kick aus, noch bevor der Mann sich ihrer Bewegung überhaupt bewusst wurde. Die Pistole des Schotten flog durch die Gegend. Bei Leatherman nahm die Detektivin sich sogar noch die Zeit, ihm grinsend in die Augen zu schauen, bevor sie auch ihm die Waffe aus der Hand trat.
Jetzt ging Sam einen Schritt zurück und blieb lächelnd stehen. Dabei versuchte sie, nicht schneller zu atmen als gewöhnlich. Tatsächlich war ihre Aktion sehr anstrengend gewesen. Normalerweise hatte sie die Hände frei, wenn sie zutrat. Erst, wenn die Aktion mit gefesselten Händen ausgeführt wurde, merkte man, wie wichtig die Arme zum Austarieren des Gleichgewichts waren. Die beiden Männer sollten aber den Eindruck bekommen, dass sie die Entwaffnung völlig problemlos durchgeführt hatte, also zwang sie ihre Atmung zu tiefen, ruhigen Zügen.
Leatherman sah sie entsetzt an, dem Schotten waren die Gesichtszüge eingefroren. Plötzlich musste ihnen das eben noch völlig überzogene Bild sehr realistisch vorkommen. Nachdem sie es geschafft hatte, eine derart unglaubwürdige Behauptung so aussehen zu lassen, als würde sie sehr schnell Wirklichkeit werden, konnte sie alles Mögliche behaupten, und die Männer würden es ihr abkaufen.
„Ich hätte euch jetzt noch den Kehlkopf in euren Hals treten können, wie ich es mit Sorghardt gemacht habe, oder eure Eier zu Rührei verarbeiten, oder euch mit einem Tritt gegen den Solarplexus flachlegen. Aber ich brauche ja noch jemanden, der gegen Herbert Storckmann aussagt, denn der wird vermutlich alles auf euch oder auf Sorghardt schieben wollen.“
Jetzt drehte Sam sich herum, so dass sie mit dem Rücken zu den Männern stand.
„Macht mich los!“, befahl sie. Dabei erhaschte sie einen Blick auf die Frau hinter dem Tresen, die zwar noch immer das Gewehr in der Hand hielt, es aber auf den Boden richtete. Die Frau zitterte am ganzen Leib.
Es war der entscheidende Moment. Entweder, sie kamen jetzt ihrer Aufforderung nach, oder Sam hatte verloren. Es dauerte viele Sekunden, in denen sie nichts hörte. Innerlich zum Zerreißen gespannt, versuchte sie nach außen einen völlig gelassenen Eindruck zu machen.
Dann bewegte sich etwas hinter ihr.
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