Spiel der Dämmerung - Feehan, C: Spiel der Dämmerung - Mind Game (Ghost Walkers # 2)
bist ein Zauberer.«
Dahlia entfernte sich weiter von ihm, zog sich auf die andere Seite des provisorischen Tischs zurück, so als ob die alte Holzkiste diese seltsame Empfindung aufhalten könnte, die mit jedem Moment stärker wurde. Ihr Herz klopfte laut, heftig, ein steter Rhythmus, der ihr zeigte, dass sie in Schwierigkeiten steckte.
Was passierte da zwischen ihnen? Sie wusste es nicht. Wollte es auch gar nicht wissen, wollte nur, dass es aufhörte. Dahlia traute keinem anderen Menschen so weit, dass sie einen so intensiven Moment mit ihm teilen mochte. Zumal die Energie, die zwischen ihnen brodelte, etwas sehr Besitzergreifendes hatte. Ein Element, das männlich und zugleich sehr zuversichtlich war. Sehr entschlossen. Extrem sinnlich. Sie sah ihn an, wandte den Blick jedoch gleich wieder ab. Er war ein Jäger, ein Mann, der monatelang unbeirrbar ein Ziel verfolgte und es nie verfehlte. Dahlia erschauderte. Sie wollte nicht im Brennpunkt seines Interesses stehen.
»Kakao wäre fein. Heiß, dann kann ich bestimmt schlafen«, sagte sie, obwohl sie das sehr bezweifelte. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals mit einem anderen Menschen in einem Raum geschlafen zu haben. Bei der Vorstellung wurde ihr geradezu flau im Magen.
Nicolas zog eine Ration MRE aus seinem Rucksack, ein luftdicht verschlossenes Paket mit Fertignahrung, das die Armee an ihre Soldaten im Feldeinsatz verteilte. »Das müsste reichen, um den größsten Hunger zu stillen, Dahlia.«
»Ist das denn genießbar?«
»Na klar. Ich esse es die ganze Zeit.«
Ein spöttisches Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Das muss nicht viel heißen. Wie ich dich einschätze, vertilgst du auch Eidechsen und Schlangen.«
»Die können sehr schmackhaft sein, wenn sie richtig zubereitet sind. Ich habe mit meinem Großvater im Reservat, wo ich aufgewachsen bin, oft Schlangen gegessen.«
Nicolas sah sie nicht an, sondern beschäftigte sich angelegentlich mit der Zubereitung ihres Nachtmahls. Dahlia kam jetzt besser mit ihm zurecht. Sie plauderten beinahe unbeschwert, doch etwas in seiner Stimme sagte ihr, dass er Dinge von sich preisgab, die er sonst nur selten mit jemandem teilte. Nicolas hatte außer seiner Jeans nichts an. Seine nackte Brust war sonnengebräunt und sehr muskulös. Ohne dass sie es verhindern konnte, stahl sich ihr Blick immer wieder in seine Richtung.
Sie räusperte sich. »Dein Großvater hat dich aufgezogen? «
»Ich habe meine Eltern nie gekannt. Sie sind kurz nach meiner Geburt gestorben. Großvater war ein Schamane und glaubte an die alten Werte. Es hat Spaß gemacht, bei ihm aufzuwachsen. Wir sind monatelang durch die Berge gewandert, haben gejagt und gelernt, als Teil der Natur zu leben. Er war ein guter Mensch, und ich kann von Glück sagen, dass ich bei ihm groß werden durfte.«
»Du musst eine Menge von ihm gelernt haben.«
»Alles, bis auf das Wichtigste.«
Das Bedauern in seiner Stimme war aufrichtig und ging ihr nahe. »Und was war das?«
»Die Kunst des Heilens. Ich kenne alle Gesänge, die notwendigen Kräuter und Heilpflanzen, aber ich besitze nicht seine Begabung.« Nicolas verteilte einen Teil des Essens auf Teller und packte den Rest weg. Er hatte so eine Ahnung, dass sie ihn später noch brauchen würden, und vorbereitet zu sein war ihm erstes Gebot. »Er hat mich gelehrt, dass jedes Leben bedeutsam ist, und bevor wir ein
Leben nehmen, sollten wir lernen, Leben zurückzugeben. Du hättest ihn sehen sollen. Er war ein feiner und sehr gebildeter Mann. Er kannte auch die Geschichte meines Volkes und die alten Gebote. Er achtete die Natur und das Leben und schaffte es allein durch seine Gegenwart, eine chaotische Situation ins Gleichgewicht zu bringen.«
»Klingt, als sei er ein sehr faszinierender Mensch gewesen«, erwiderte sie mit einem leisen Seufzer. »Ich hatte Milly und Bernadette. Bernadette war so etwas wie die Medizinfrau hier draußen im Bayou. Etliche Einheimische kamen zu ihr und baten sie um Hilfe. Sie half Babys auf die Welt und konnte alle möglichen Krankheiten heilen, meistens mit Kräutern und Pflanzen. Sie war gelernte Krankenschwester, hat mir aber erzählt, dass sie ihre erste und beste Ausbildung von einer weisen Frau hier in der Gegend erhalten hatte. Bernadette hat mir eine Menge beigebracht. Ich war gerne draußen im Bayou, in der freien Natur, weit weg von anderen Menschen.«
Sie musste sich von Nicolas abwenden, wollte ihn ihre Trauer und ihre Wut nicht sehen lassen. Solange sie in seiner
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