Spiel der Dämmerung - Feehan, C: Spiel der Dämmerung - Mind Game (Ghost Walkers # 2)
also mit jemandem trainiere, kann ich die Angriffsabsicht schon spüren, ehe der Angriff selbst mich trifft. Und ich kann eben diese Energie aufnehmen und für mich selbst nutzen.«
»Das ist recht erstaunlich, selbst für einen Schattengänger. Aber du hast keine telepathischen Fähigkeiten, oder?«
»Keine sehr ausgeprägten. Ich kann normalerweise keine Botschaften aussenden, nicht einmal zu Jesse, und der ist ein sehr starkes Medium. Du hast mich gewarnt, stimmt’s? Ich habe deine Stimme gehört. Demnach musst du auch ein sehr starkes Medium sein.« Sie sah ihn an, bemerkte die Schatten in seinen Augen. »Warum bezeichnet ihr euch eigentlich als Schattengänger?«
Sie hatte nichts gegen diesen Begriff, im Gegenteil, es war sogar tröstlich zu wissen, dass es andere Menschen gab, die wie sie waren. Dass sie nicht gänzlich allein dastand, sondern Teil einer Gruppe war, obwohl sie die anderen nicht kannte.
»Wir nennen uns Schattengänger, weil man uns in Käfige sperrte und nicht mehr als menschliche Wesen betrachtete und wir wussten, dass wir in die Schatten entkommen
könnten, in die Nacht, und die Nacht dann uns gehören würde.« Er legte zwei Finger unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht an, um sein Werk zu betrachten. »Okay, ich glaube, ich habe alles abgekriegt.« Er zog seine Hand zurück und damit auch deren Wärme. Regungslos sah Dahlia zu, wie er anschließend sein eigenes Gesicht sauberrieb.
»Wer sind wir ?«
»Whitney dachte, sein Experiment wäre gescheitert, weil ihr aus dem Waisenhaus noch Kinder wart und noch nicht alt oder diszipliniert genug, um mit den Nebenwirkungen seiner Experimente fertigzuwerden. Er wartete ein paar Jahre, glaubte, die Methoden verfeinert zu haben, und holte sich Probanden aus der Armee, weil er dachte, gut trainierte und an Disziplin gewöhnte Männer würden sich besser eignen.«
»Höre ich da heraus, dass dem nicht so war?« Sie nahm ihm das Reinigungstuch aus der Hand, bedeutete ihm mit einer Geste, sich zu bücken, und machte sich daran, die letzten braunen Schlieren von seinem Gesicht zu wischen.
Nicolas stockte der Atem. Sie berührte ihn nicht, nicht mit ihren Fingern, nicht Haut an Haut, aber es fühlte sich verdammt noch mal so an. Seine Lungen lechzten nach Luft, oder vielleicht lechzte auch sein Körper nach etwas anderem. Etwas sehr viel Intimeren. Er wagte nicht zu atmen – aus Angst, sie könnte mit ihrem Tun aufhören. Oder nicht aufhören. Er wusste nicht, was sicherer wäre. Seine Reaktion war so unerwartet, widersprach so ganz seinem Naturell, dass er unter ihrer Hand erstarrte, ein wildes Tier, das sich sammelte, das sich auf einen Angriff vorbereitete. Er spürte, wie er sich anspannte, wartete. Das Merkwürdige war nur, dass er keine Ahnung hatte, worauf er wartete.
Einen Moment lang knisterte die Luft in dem kleinen Raum, als stünden sie unter elektrischer Spannung. Die winzigen Stromstöße sprangen von ihrer Haut auf seine über und wieder zurück. »Lass das«, sagte sie leise.
Seine schwarzen Augen trafen ihre. Luft strömte in seine Lungen und führte ihren Duft mit sich. Er hätte Sumpf und Schlamm riechen müssen, stattdessen roch er Frau. Dahlia . Er würde immer wissen, wenn sie den Raum betrat. Würde immer wissen, wenn sie in seiner Nähe war. Das musste irgendwas mit Chemie zu tun haben. »Ich habe nicht gemerkt, dass ich derjenige war, der das getan hat. Ich dachte, das wärst du gewesen.«
»Nein, das warst definitiv du.« Sie drückte ihm das schmutzige Papiertuch in die Hand und machte einen Schritt zurück, um Abstand zu ihm zu gewinnen.
Dahlia gab beiden die Gelegenheit, das Thema fallenzulassen. Sie wollte nicht weiter darüber sprechen. Nicolas hingegen war sich nicht sicher, ob er das auch wollte. Ihr Zurückweichen hatte die Flut seiner Empfindungen nicht schmälern können. Sie waren da, unter seiner Haut, und er hatte keine Ahnung, wie sie dorthin gelangt waren.
»Hast du wirklich was zu essen in deinem Rucksack?«, lenkte Dahlia ab.
Nicolas ließ die Glut seines Blicks über ihr Gesicht lodern. Sie hielt ihr stand, doch er spürte ihre innere Anspannung. Langsam ließ er die Luft aus seinen Lungen entweichen. Dahlia war nicht darauf vorbereitet, irgendeinen Teil von ihm zu akzeptieren. Er entspannte sich und lächelte sie an. Ein rasches, bewusst männliches Grinsen, das alles Mögliche ausdrückte und doch nichts sagte. »Und du hast die Wahl zwischen Kaffee und Kakao.«
»Wow, ich glaube allmählich, du
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