Spiel der Magier
nicht«, erklärte Ce’Nedra mit einer Stimme, die verriet, daß sie nahe daran war, hysterisch zu werden. »Ich kann nicht nach Maragor gehen.«
»Doch, du kannst, Liebes«, sagte Tante Pol beschwichtigend. »Bleib dicht bei mir. Ich werde nicht zulassen, daß dir etwas geschieht.«
Garion spürte plötzlich ein tiefes Mitgefühl für das verängstigte kleine Mädchen und lenkte sein Pferd neben das ihre.
»Ich werde auch da sein.«
Sie sah ihn dankbar an, aber ihre Unterlippe zitterte noch immer, und sie war sehr blaß.
Meister Wolf atmete tief ein und warf einen Blick auf den langen Abhang hinter ihnen. Die Staubwolken, die die herannahenden Murgos aufwirbelten, waren jetzt viel näher. »Also gut«, sagte er. »Reiten wir.« Er wendete sein Pferd und ritt in leichtem Trab auf den Ausgang der Schlucht und die Ebene zu, die sich vor ihnen erstreckte.
Zuerst schien das Geräusch schwach und sehr weit entfernt, fast wie das Murmeln des Windes in den Zweigen oder wie Wasser, das leise über Steine plätscherte. Dann, als sie weiter hinaus in die Ebene kamen, wurde es lauter und deutlicher. Garion blickte einmal fast sehnsüchtig zurück zu den hinter ihnen liegenden Bergen. Dann lenkte er sein Pferd dicht neben Ce’Nedras, heftete seine Augen auf Meister Wolfs Rücken und versuchte, seine Ohren zu verschließen.
Das Geräusch war angeschwollen zu einem Klagelied, unterbrochen von gelegentlichen Schreien. Hinter allem stand, all die anderen Geräusche anscheinend tragend und nährend, eine entsetzliche Wehklage, wohl nur eine einzige Stimme, aber so gewaltig und umfassend, daß sie in Garions Kopf widerzuhallen schien und jeden Gedanken auslöschte.
Plötzlich hob Meister Wolf die Hand.
Garion glitt aus dem Sattel, die Augen fast verzweifelt auf den Boden geheftet.
Irgend etwas bewegte sich am Rande seines Blickfeldes, aber er sah nicht hin.
Dann sprach Tante Pol zu ihnen, ihre Stimme war gelassen und beruhigend. »Ich möchte, daß ihr einen Kreis bildet«, sagte sie, »und daß ihr euch bei den Händen nehmt. Nichts wird in der Lage sein, in diesen Kreis einzudringen, also werdet ihr sicher sein.«
Gegen seinen Willen zitternd, streckte Garion die Hand aus. Jemand nahm seine linke, er wußte nicht wer. Aber er wußte sofort, daß die kleine Hand, die sich so verzweifelt an seine rechte klammerte, Ce’Nedra gehörte.
Tante Pol stand mitten im Kreis, und Garion konnte ihre Kraft spüren, die über sie hinwegspülte. Irgendwo außerhalb des Kreises konnte er Wolf spüren. Der alte Mann tat etwas, das leichte Wogen durch Garions Adern schickte und für kurze Zeit das vertraute Dröhnen verursachte.
Das Wehklagen der entsetzlichen einzelnen Stimmen wurde lauter, intensiver, und Garion fühlte die ersten Anzeichen von Panik. Es würde nicht klappen. Sie würden alle wahnsinnig werden.
»Shhh, jetzt«, kam Tante Pols Stimme zu ihm, und er wußte, daß sie in seinem Geist sprach. Seine Panik verschwand, und er spürte eine seltsame, friedliche Müdigkeit. Seine Augen wurden schwer, und das Klagen wurde schwächer. Dann fiel er, eingehüllt in eine tröstliche Wärme, fast augenblicklich in einen tiefen Schlummer.
5
G arion war sich nicht sicher, wann sein Geist begonnen hatte, Tante Pols Zwang, tiefer und tiefer in die schützende Wahrnehmungslosigkeit zu sinken, abzuschütteln. Es konnte noch nicht lange her sein. Taumelnd, wie jemand, der langsam aus den Tiefen emporsteigt, tauchte er aus dem Schlaf auf und fand sich steif, geradezu hölzern, mit den anderen auf die Pferde zugehen. Als er die Gefährten ansah, merkte er, daß ihre Gesichter leer waren, sie spürten nichts. Er vermeinte, Tante Pols geflüsterten Befehl »schlaft, schlaft«, zu hören, aber es fehlte ihm die nötige Kraft, auch ihn zum Gehorsam zu zwingen. In seinem Bewußtsein gab es jedoch einen leichten Unterschied. Obwohl sein Verstand wach war, schien es seine Empfindung nicht zu sein. Er betrachtete die Dinge mit einer kühlen, ruhigen Gelassenheit, unbeirrt von seinen Gefühlen, die seine Gedanken so oft in Aufruhr versetzten. Er wußte, daß er Tante Pol eigentlich sagen müßte, daß er nicht schlief, aber aus irgendeinem geheimnisvollen Grund beschloß er, dies nicht zu tun. Geduldig begann er die Ideen und Vorstellungen zu überprüfen, die mit dieser Entscheidung zusammenhingen: denn er wollte versuchen, den einen Gedanken auszumachen, der hinter seinem Entschluß, nicht zu sprechen, stecken mußte. Bei seiner Suche berührte
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