Spiel der Magier
auszulöschen, die es unter so viel Mühe erschaffen hat. Wenn du jemanden töten willst, veränderst du ihn nur ein wenig. Du veränderst ihn dahingehend, daß er tot und nicht mehr lebendig ist. Aber er ist immer noch da. Um ihn auszulöschen, mußt du seine Existenz gänzlich vernichten wollen. Wenn du das Gefühl hast, kurz davor zu stehen, zu etwas zu sagen ›verschwinde‹ oder ›hör auf zu sein‹, stehst du dicht vor der Selbstzerstörung. Das ist der Hauptgrund, weshalb wir unsere Gefühle immer unter Kontrolle halten müssen.«
»Das wußte ich nicht«, gestand Garion.
»Jetzt weißt du es. Versuche nicht einmal, einen Kieselstein auszulöschen.«
»Einen Kieselstein?«
»Das Universum macht keinen Unterschied zwischen einem Kieselstein und einem Menschen.« Der alte Mann sah ihn fast streng an. »Deine Tante versucht nun schon seit Monaten, dir die Notwendigkeit zu erklären, dich unter Kontrolle zu halten, und du hast dich ständig dagegen gewehrt.«
Garion ließ den Kopf hängen. »Ich wußte nicht, worauf sie hinauswollte«, entschuldigte er sich.
»Das kommt, weil du nicht zugehört hast. Das ist ein schwerer Fehler, Garion.«
Garion wurde rot. »Was geschah, als du zum erstenmal festgestellt hast, daß du nun Dinge tun kannst?« fragte er rasch, um vom Thema abzulenken.
»Es war etwas ganz Dummes«, antwortete Wolf. »Das ist es meistens beim ersten Mal.«
»Was war es?«
Wolf zuckte die Achseln. »Ich wollte einen großen Felsen bewegen.
Meine Arme und mein Rücken waren nicht stark genug, aber mein Geist. Anschließend hatte ich keine andere Wahl als zu lernen, damit zu leben, denn wenn man die Tür einmal aufgestoßen hat, bleibt sie immer geöffnet. Das ist der Punkt, an dem dein Leben sich verändert und du lernen mußt, dich zu kontrollieren.«
»Darauf läuft es immer wieder hinaus, nicht wahr?«
»Immer«, bestätigte Wolf. »Aber es ist nicht so schwer, wie es sich anhört. Sieh dir Mandorallen an.« Er deutete auf den Ritter, der neben Durnik herritt. Die beiden waren völlig in ihr Gespräch vertieft. »Nun, Mandorallen ist wirklich ein netter Bursche, aufrichtig, treu, überwältigend edel aber wir wollen ehrlich sein. Sein Verstand ist noch nie durch einen originellen Gedanken aufgewühlt worden – bis jetzt. Er lernt, seine Angst zu kontrollieren, und dieses Lernen zwingt ihn zum Nachdenken wahrscheinlich zum ersten Mal in seinem Leben. Es ist schmerzlich für ihn, aber er tut es. Wenn Mandorallen mit seinem begrenzten Verstand lernen kann, seine Ängste zu kontrollieren, kannst du bestimmt diese Kontrolle über die anderen Gefühle lernen. Schließlich bist du ein bißchen klüger als er.«
Silk, der vorausgeritten war, kehrte zu ihnen zurück. »Belgarath«, sagte er. »Etwa eine Meile vor uns ist etwas, das du dir anschauen solltest.«
»Gut«, antwortete Wolf. »Denk darüber nach, was ich dir gesagt habe, Garion. Wir reden später weiter.« Dann galoppierte er mit Silk davon.
Garion dachte über das nach, was der alte Mann ihm gesagt hatte. Was ihn am meisten störte, war die erdrückende Verantwortung, die sein unerwünschtes Talent ihm auferlegte.
Das Fohlen hüpfte neben ihm her, galoppierte von Zeit zu Zeit voraus und kam dann zurück, seine kleinen Hufe trappelten auf dem feuchten Boden. Hin und wieder blieb es stehen und betrachtete Garion mit einem Blick voller Liebe und Vertrauen.
»Ach hör auf damit«, sagte Garion.
Dann sprang das Fohlen wieder davon.
Prinzessin Ce’Nedra lenkte ihr Pferd neben Garion. »Worüber hast du dich mit Belgarath unterhalten?« fragte sie.
Garion zuckte die Achseln. »Über vieles.«
Sofort zeigte sich eine härtere Linie um ihre Augen. In den Monaten, seit sie sich kannten, hatte Garion gelernt, solche stummen Warnsignale zu erkennen. Etwas warnte ihn, daß die Prinzessin Streit suchte, und mit einer Einsicht, die ihn selbst überraschte, sah er auch den Grund für ihre unausgesprochene Streitlust. Was in der Höhle geschehen war, hatte Ce’Nedra tief erschüttert, und Ce’Nedra mochte es nicht, erschüttert zu werden. Um es noch schlimmer zu machen, hatte die Prinzessin einige Einschmeichelungsversuche bei dem Fohlen unternommen, das sie offenbar zu ihrem persönlichen Schmusetier hatte machen wollen. Aber das Fohlen hatte sie vollkommen ignoriert und war völlig auf Garion fixiert. Das ging sogar so weit, daß es seine eigene Mutter nicht beachtete, wenn es nicht gerade Hunger hatte. Ce’Nedra konnte es noch
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