Spiel des Schicksals
geben? »Wissen Sie zufällig, wie spät es in Los Angeles ist?«
Sie warf einen Blick auf die Uhr an der Wand, dachte einen Augenblick nach und meinte dann: »Zehn Uhr abends.«
»Zehn Uhr. Oh, um Himmels willen. Nun, das ist eigentlich zu spät fürs Krankenhaus.« Da ich aber wußte, zu welch merkwürdigen Zeiten Dr. Kellerman bisweilen noch arbeitete, beschloß ich, ihr trotzdem die Nummer der Krankenhauszentrale zu geben. Auf diese Weise würde ich ihn erreichen, egal, wo er sich gerade aufhielt. Als sie mich davon unterrichtete, daß ich vor dem Anruf eine Gebühr zu entrichten habe, erinnerte ich mich an die ägyptischen Pfundnoten, die ich am Flughafen in der Nacht meiner Ankunft eingetauscht hatte. Ich zog einige der Geldscheine hervor und hielt sie der Frau zögernd hin.
»Es wird eine Weile dauern, die Verbindung nach Amerika herzustellen«, erklärte die fette Frau, während sie die Telefonnummer betrachtete. »Sie werden sich setzen, bis ich Sie aufrufe. Dann werden Sie zu einem Telefon gehen. Verstehen Sie?«
So ließen wir uns auf der hölzernen Bank nieder und falteten geduldig die Hände. Asmahan und ich warteten eine Ewigkeit, während der ich an nichts anderes dachte als daran, Dr. Kellermans Stimme zu hören. Ich hatte weder Gedanken für Achmed Raschid noch für Adele, noch für den Schakal, noch für den Tod von John Treadwell und auch nicht für die Gefahr, in der ich schwebte. Ich dachte ausschließlich an Dr. Kellerman und an den Trost, den mir der Kontakt mit ihm spenden würde.
Als die dicke Frau hinter dem Schalter nach mir rief, schnellte ich regelrecht von der Bank hoch. Sie reichte mir einen Notizzettel mit einer sorgfältig daraufgeschriebenen Nachricht und sagte mir dabei: »Die gewünschte Person kann nicht ermittelt werden. Es hieß, Sie sollten es später noch einmal probieren.«
Ich las in der reinlichen Handschrift der Telefonistin: Das Santa-Monica-Krankenhaus hat mitgeteilt, daß Dr. Kellerman an diesem Abend nicht zu erreichen ist. Im Notfall solle man Dr. Thomas anrufen.
»Verdammt!« murmelte ich enttäuscht. Da er seinen Bereich einem anderen Chirurgen übertragen hatte, gab es wohl keine Möglichkeit, Dr. Kellerman ausfindig zu machen. Mein einziger Ausweg bestand darin, es bei ihm zu Hause zu probieren. So füllte ich einen neuen Zettel aus, ließ Asmahan eine weitere Gebühr bezahlen und setzte mich wieder auf die Bank. Stunden schienen zu vergehen, ehe die dicke Telefonistin meinen Namen wieder aufrief. Inzwischen hatte ich bemerkt, wie anderen Leuten, die nach uns gekommen waren, längst Telefonkabinen zugewiesen worden waren. Sie hatten unendlich viel mehr Glück gehabt als ich, und so sollte es anscheinend auch bleiben. »Unter dieser Nummer nimmt niemand ab«, sagte die Matrone.
Ich verspürte Lust zu fragen: »Sind Sie sicher?«, aber ich erkannte noch rechtzeitig, daß es keinen Sinn hatte. Dr. Kellerman war einfach nicht aufzufinden und wollte nicht gestört werden. Deshalb ließ er sich durch Dr. Thomas vertreten, und deshalb nahm auch bei ihm zu Hause niemand ab. Ich war vollkommen niedergeschmettert. Ich schaute Asmahan an, als wollte ich gleich losheulen, und als sie meinen Gesichtsausdruck wahrnahm, tätschelte sie meine Hand und meinte: »Ana asif.«
»Ja, mir tut es auch leid.« Verdammt. Ich hatte solche Hoffnungen in diesen Anruf gesetzt. »Ich möchte es später noch einmal probieren.« Und zu der Frau sagte ich: »Wie lange haben Sie geöffnet?«
»Wir schließen in einer Stunde für drei Stunden und machen um fünf Uhr wieder auf. Dann schließen wir um zehn Uhr.«
»Gut, wir kommen zurück.«
Ich dachte fieberhaft nach. Asmahan und ich konnten in weniger als einer Stunde zurückkehren und es nochmals versuchen. Um diese Zeit wäre es fast Mitternacht in Los Angeles, was die Wahrscheinlichkeit erhöhen würde, Dr. Kellerman zu Hause anzutreffen. Wenn nicht, würden wir es um fünf wieder probieren, hoffentlich noch bevor Achmed Raschid nach Hause kam. Ich bat die Frau an der Telefonvermittlung, diesen Plan an Asmahan auf arabisch weiterzugeben, worauf diese ihre Zustimmung durch eifriges Nicken kundtat. Dann stellte sie mir eine Frage. Die dicke Frau dolmetschte: »Sie will wissen, was Sie in der Zwischenzeit tun möchten.« Ich zuckte hilflos die Schultern.
Asmahan redete schnell auf die Frau ein, wobei sie lebhaft gestikulierte und über ihre Schulter deutete. Danach wurde es für mich übersetzt: »Ihre Freundin möchte Ihnen gerne das
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