Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spiel mir das Lied vom Glück

Spiel mir das Lied vom Glück

Titel: Spiel mir das Lied vom Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
Vom Netzwerk:
annahm.
    Sie lächelte. Offenbar hielt sie ihr Lächeln für sexy. »Ähm, Doktor –« Sie schaute auf sein Namensschild. »Darf ich Sie David nennen?«
    »Sie können mich Dr.Horner nennen«, gab der junge Mann zurück.
    Verdutzt blinzelte meine Mutter. Alle Männer, die sie bis jetzt in Bars getroffen hatte, wollten immer sofort von ihr mit dem Vornamen angesprochen werden.
    Wieder versuchte sie es mit ihrem Lächeln. »Hier liegt ein Missverständnis vor. Diese Krankenschwester«, sie warf Nora einen giftigen Blick zu, »überschreitet ihre Zuständigkeit. Ich besuche gerade meine Tochter. Diese Krankenschwester will, dass ich gehe. Sie können ihr doch sicher sagen, dass es nicht ihre Aufgabe ist zu bestimmen, wer in diesem Krankenhaus kommt und geht, nicht wahr?«
    Die Stimme meiner Mutter war honigsüß. Sie drückte sich sogar anders aus. Das konnte sie durchaus. Vor mir und ihren Freunden sprach sie primitiv, die Sprache ihrer schlimmen Kindheit, aber sie konnte sich auch höflich und förmlich artikulieren, vornehm wie in den Südstaaten. Ich nahm an, das hatte sie von ihrer Großmutter, bei der sie oft für längere Zeit gelebt hatte, wenn ihre eigene Mutter wieder einmal monatelang mit einem Mann durchgebrannt war.
    Meine Mutter schlug mit den Wimpern und verschränkte die Hände auf dem Rücken, damit der Arzt einen ungehinderten Blick auf ihre großen Titten bekam.
    Der Arzt lächelte meine Mutter an. Sie hatte also wieder gewonnen. Und gerade als meine Mutter zurückgrinste und wie ein kleines Mädchen abwechselnd das Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagerte, verschwand sein Lächeln.
    »Miss? Mrs.?«
    »Ach«, sagte meine Mutter, »nennen Sie mich einfach Candy.«
    Er zögerte, als gefalle ihm der Name nicht. »Also gut, Candy. Ihre Tochter ist seit drei Tagen hier. Am ersten Tag habe ich mich mit Ihnen unterhalten, aber seitdem sind Sie nicht mehr hier gewesen, stimmt das?«
    Meine Mutter schluckte, kurz hörte sie auf zu wippen, dann machte sie weiter. Setzte ihr Lächeln auf. »Ich habe sehr viel zu tun, Herr Doktor.«
    Er nickte. »Ja, das glaube ich.«
    »Alleinerziehende Mütter haben nicht viel Freizeit, wie Sie wissen dürften.«
    »Ja, das ist mir klar, Candy. Aber so, wie ich es sehe, hat dieser Trayce bei Ihnen gewohnt, stimmt das? Ist Ihnen bekannt, dass wir am Körper Ihrer Tochter zahlreiche Hinweise auf ältere Verletzungen fanden? Können Sie uns sagen, woher diese Narben stammen?«
    Das Lächeln wurde schwächer. »Julia war immer schon sehr ungeschickt, sie fällt ständig irgendwo runter –«
    »Ah, verstehe«, sagte der Arzt. »Das würde erklären, warum sie sich vor einiger Zeit drei Rippen gebrochen hat. Wenn Kinder fallen, brechen sie sich sehr oft die Rippen.« Selbst mir entging seine Ironie nicht.
    Meine Mutter errötete leicht. »Ich hab doch nicht gesagt, dass sie sich die Rippen gebrochen hat! Davon wusste ich nichts, von den kaputten Rippen!«
    »Das wussten sie nicht?« Der Arzt hob die Augenbrauen. »Hat sie nie über Schmerzen in der Seite geklagt?«
    Die Gesichtsfarbe meiner Mutter wurde dunkler. Ich war
mittlerweile so erschöpft und hatte so heftige Kopfschmerzen, dass mir ein Auge zufiel.
    »Das Kind meckert immer über irgendwas. Ständig. Irgendwas ist immer.«
    »Ihre Tochter könnte durchaus über einen schmerzenden Magen geklagt haben, denn dort sind ebenfalls Blutergüsse zu finden, von den blauen Flecken an ihren Armen und den Narben von jüngeren Verbrennungen, zwei davon von Zigaretten, ganz zu schweigen. Mehrere Narben scheinen von einem Gürtel oder einem Riemen zu stammen. Was war es?«
    Es war ein Gürtel gewesen, wollte ich antworten, aber meine Lippen schienen sich nicht bewegen zu wollen. Ich wusste, dass meine Mutter die Antwort ebenfalls kannte, weil sie ihre Augen ein wenig aufriss, doch dann presste sie die grellroten Lippen aufeinander.
    »Es gab keinen Gürtel oder Riemen, Herr Doktor.«
    »Können Sie die Verletzungen erklären?«
    »Nein, kann ich nicht und muss ich auch nicht. Wahrscheinlich ist sie in der Schule geschlagen worden. Sie geht mir ständig auf den Geist, wahrscheinlich nervt sie auch die Leute in der Schule.«
    Ich wollte die Hand heben und Widerspruch einlegen, doch mein Kopf fühlte sich an, als würde er jeden Moment platzen. Nora kam an meine Seite. Sie legte mir die Hand auf die Stirn, prüfte die Infusion und gab etwas hinzu. Ich war Nora dankbar.
    »Candy, wie lange hat Trayce bei Ihnen gelebt?«, fragte der

Weitere Kostenlose Bücher