Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spiel mir das Lied vom Glück

Spiel mir das Lied vom Glück

Titel: Spiel mir das Lied vom Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
Vom Netzwerk:
Arzt, als sei Trayce ein kleiner schwarzer Käfer, der mit seinem klebrigen, schleimigen Körper an den Wänden unserer Wohnung geklebt hatte.
    »Ungefähr ein Jahr, mit Unterbrechungen.«
    »Mit Unterbrechungen?«
    »Ja, Trayce ist immer gekommen, wie es ihm passte, aber jetzt sieht es aus, als ob er für immer weg ist, weil er von der
Polizei gesucht wird.« Sie warf mir einen bösen Blick zu. Ja, Mama war sehr sauer auf mich, kein Zweifel.
    »Ich werde die Verletzungen Ihrer Tochter schriftlich festhalten und hinzufügen, dass sie von diesem Trayce stammen. Ich hoffe, dass die Polizei ihn ergreift. Denn jeder Mann, der einem Kind so etwas antut, gehört ins Gefängnis, auch wenn Sie da anderer Meinung zu sein scheinen.«
    »Ins Gefängnis?«, rief meine Mutter schockiert. »Du liebe Güte! Trayce hat einfach nur die Geduld verloren, weil das Kind so ein freches Mundwerk hat und sich nicht benehmen kann. Er hat nichts Falsches gemacht.«
    Jetzt sahen der Arzt und die Krankenschwester aus, als würden sie die Geduld verlieren. Gleichfalls die zwei Männer neben dem Arzt.
    »Menschen verlieren immer wieder die Geduld, aber das gibt ihnen noch lange nicht das Recht, ein Kind so mit dem Kopf gegen die Wand zu schleudern, dass es eine Gehirnerschütterung bekommt. Ihr Freund hätte Ihre Tochter töten können. Das scheint Ihnen nicht klar zu sein.«
    Der Arzt musterte meine Mutter, als könne er sie nicht verstehen. Er sprach mit ihr, als sei sie begriffsstutzig. Als sie mich bekam, war sie siebzehn gewesen. In meinen Augen war sie immer wunderschön. Ich glaubte, alle Männer fänden sie schön. Aber in diesem Raum hielt niemand meine Mutter für hübsch, das war mir sonnenklar.
    »Das verstehe ich verdammt gut!«, rief meine Mutter und verschränkte die Arme vor der Brust. »Kümmern Sie sich doch um Ihren eigenen Dreck! Trayce ist weg, mehr brauchen Sie nicht zu wissen!«
    »Das stimmt nicht. Ich muss mich überzeugen, dass Sie aufpassen, dass Ihrer Tochter so etwas nicht noch einmal zustößt. Sie sind die Mutter, es ist Ihre Aufgabe, das Kind zu schützen. Dabei haben Sie erbärmlich versagt. Viele Frauen lassen sich hin und wieder von ihren Männern schlagen, aber bei den
meisten hört es auf, wenn der Mann ihr Kind durch das Zimmer schleudert wie eine Puppe.«
    Bei meiner Mutter brannten nun alle Sicherungen durch. Wahrscheinlich spürte sie, dass sie keinerlei Chance hatte, irgendwann mit diesem Arzt auszugehen. »Ach, halt doch die Schnauze, du dämlicher Klugscheißer! Du hast doch keine Ahnung! Ich hab keine Schuld an den Verletzungen meiner Tochter. Was hab ich damit zu tun?«
    »Ach, nein? Sie leben mit einem Mann zusammen, der Ihre Tochter mehrmals, wenn nicht sogar regelmäßig misshandelt hat, wie es aussieht.«
    »Hören Sie mal, Sie neunmalkluger Schlaumeier, ich bin Julias Mutter, und ich kümmer mich um sie, und ich muss mir diesen Scheiß nicht länger anhören.«
    Ohne sich von mir zu verabschieden, stolzierte sie an den Männern vorbei. Eine Träne rann aus meinem geschlossenen Auge.
    »Wir haben Sie beim Jugendamt angezeigt«, rief der Arzt ihr nach.
    Meine Mutter lachte. »Was interessiert mich das? Was wollen die schon tun? Trayce ist nicht mehr da, besteht also keine Gefahr mehr. Ich hab sie schließlich nie geschlagen.«
    Das stimmte nicht so ganz, dachte ich. Gelegentlich bekam ich durchaus Prügel. Und Schläge. Oder eine Backpfeife. Doch es waren ihre Worte, die mich ins Herz trafen.
    Meine Mutter ging, und Nora und die Ärzte trösteten mich und brachten mir ein Eis. Nora hielt mich in den Armen, bis ich weinend einschlief. Als ich aufwachte, war eine andere Schwester namens Marci da, die sich um mich kümmerte und die mich hielt, als ich wieder weinte. Die nächste Schicht hatte Gabrielle, dann kam Nora wieder.
    Meine Mutter holte mich einige Tage später ab. Ich weinte, als ich das Krankenhaus verließ.
    Im folgenden Jahr wurde ich wieder eingeliefert, aber da
wohnten wir in einem anderen Bundesstaat, sodass es sich um andere Ärzte und Krankenschwestern handelte. Einmal hatte ich im Krankenhaus gelegen, weil ich mich am Knie verletzt hatte. Ich war von zu Hause fortgelaufen, fort von Trayce, der uns irgendwie wieder aufgespürt hatte. Ich rannte auf die Straße und wurde von einem Auto angefahren. Ich trug einige Schrammen davon, aber die einzige bleibende Narbe war an meinem Knie.
    Dem Mann am Steuer tat es furchtbar leid. Er musste weinen. Doch meine Mutter fand, es wäre eine tolle

Weitere Kostenlose Bücher