Spiel mir das Lied vom Glück
mit Tränen in den Augen. »So was von baff!«
Baff oder nicht, wir brachten ihr ein Ständchen, sangen nicht nur einmal, nicht zweimal, sondern dreimal »Happy Birthday« für sie, so wie sie es jeden Sommer für mich gesungen hatte, wenn ich sie als Kind besucht hatte.
Als wir fertig waren, warf sie die Hände in die Luft und schüttelte die Fäuste wie eine Siegerin, dann musste sie wieder weinen. Hunderte von Menschen stürmten auf sie zu, um ihr von ganzen Herzen alles, alles, alles Gute zum Geburtstag zu wünschen.
»Wo bleibt Scrambler bloß?«, fragte Katie mit besorgter Miene und ließ den Blick durch die Scheune voller Menschen schweifen, die die Feier bereits genossen. »Das sieht ihm gar nicht ähnlich, überhaupt nicht. Wenn er sagt, dass er kommt, kommt er auch. Er ist der zuverlässigste Mensch, den ich kenne.«
Auch ich wurde langsam nervös. Nicht weil ich mir Sorgen um die Musik machte. Schon jetzt lief tolle Countrymusik vom Band, aber Katie hatte recht. Wenn Scrambler etwas versprach, dann hielt er es auch.
Aber andererseits ist der richtige Zeitpunkt entscheidend, und diesen Grundsatz kannte auch Scrambler.
Es ist fast unmöglich, die Aufmerksamkeit Hunderter Menschen in einer riesigen Scheune auf sich zu lenken, doch als die Scheunentore aufgeworfen wurden, blieb ein Gast nach dem anderen stehen.
Zuerst erkannte niemand Scrambler. Er hatte sich einen Cowboyhut tief in die Stirn gezogen und eine dunkle Sonnenbrille aufgesetzt. Hinter ihm standen acht Personen – fünf Musiker, drei Backgroundsänger.
Natürlich wussten wir alle, dass Scrambler Geheimnisse hatte. Doch dass er in Idaho mit einem Freund namens Bryce Williams aufgewachsen war, der damals noch Duncan Davis
hieß, das war keinem von uns bekannt. Bryce sang gerne, und es dauerte nicht lange, da hatte er einen Plattenvertrag in der Hand und mehrere Hits in den Charts. Die sang er jetzt für Tante Lydia in der Scheune, als gäbe es kein Morgen, und wir tanzten ausgelassen dazu.
Die alte Agnes zog den Rollstuhl mit ihrer Schwester Thelba auf die Tanzfläche und tanzte um sie herum, während Thelba die Arme im Takt bewegte. Dave tanzte mit Marie. Die Kinder tanzten miteinander. Katie konnte Scrambler zu ein paar Tänzchen überreden, wenn er nicht gerade mit Bryce sang. Ich tanzte mit Dean. Seine blauen Augen lösten sich nur selten von meinen. Männer schwoften zusammen, Frauen wirbelten sich im Kreis herum. Die Leute tanzten in Gruppen, in Paaren oder alleine. Jeder tanzte mit Tante Lydia. Sie führte sogar den Bunny Hop an, und ihr rosa Cowboyhut hüpfte durch die Scheune.
Um zehn Uhr fanden wir alle, es sei die allergeilste Feier, die wir jemals erlebt hatten, genau wie Dave vorausgesagt hatte.
Da stieg Stash mit Lydia auf die Bühne. Er nahm ihre Hand. So ernst wie jetzt hatte ich ihn noch nie gesehen.
»Lydia Jean Thornburgh, ich liebe dich seit dem Moment, als ich dich vor zwanzig Jahren zum ersten Mal sah. Und obwohl du starrköpfig bist und es nicht richtig findest, mit deiner Meinung hinter dem Berg zu halten, bist du die wunderbarste Frau, die ich kenne. Und heute bist du schöner als je zuvor.«
»Oh, Stash, du alter Dummkopf«, brachte Lydia hervor und gab ihm einen Klaps auf den Arm. Schnell rückte sie ihren Hut zurecht.
»Ja, Lydia, ich bin ein alter Dummkopf, und ich liebe dich. Seit zwanzig Jahren gehen wir nun gemeinsam durch Dick und Dünn, und es waren bei weitem die zwanzig glücklichsten Jahre meines Lebens. Ein Leben ohne dich kann ich mir nicht mehr vorstellen, denn es wäre nichts wert. Seit wir uns kennen, habe ich dich einmal im Jahr gebeten, mich zu heiraten,
und du hast mich immer zurückgewiesen, weil du so furchtbar starrsinnig bist und unabhängig sein willst. Aber ein einziges Mal frage ich dich noch. Hier, vor all deinen Freunden und deiner Nichte Julia.«
Ich heulte längst, genau so wie all die Frauen um mich herum. Selbst einige Männer sahen aus, als würden sie jeden Moment in Tränen ausbrechen, wie Dave und Caleb Dirks, der dreißig Jahre Dienst in der Armee hinter sich hatte und wie ein Grizzly aussah, oder wie die Marines Michael Sparks und Stewart Adams, die gerade aus dem Irak zurückgekehrt waren.
Stash hielt Tante Lydias Hand und kniete sich vor sie. »Lydia Jean Thornburgh, würdest du mich bitte, bitte endlich und für alle Zeiten heiraten, du stures Weib?«
Da stand Lydia, schüttelte den Kopf und lachte und weinte gleichzeitig. »Ein Mann, der ein Mädel ohne Haar auf
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