Spiel mir das Lied vom Glück
seinen Tiraden über Hölle, Sünde und den Zorn Gottes mehr Menschen vom Christentum abgeschreckt als überzeugt. Er ist der Inbegriff dessen, was wir nicht mehr auf der Kanzel sehen wollen.«
»Mein Junge, aber das hast du doch nicht zu ihm gesagt, oder?«
»Und ob ich das habe, Stash. Das musste ihm mal jemand sagen. Er muss wissen, dass er seine Tochter nicht als seine persönliche Sklavin betrachten kann, dass er sie als Vater misshandelt und manipuliert hat und dass weder seine Söhne noch seine Tochter aus diesem Grund länger etwas mit ihm zu tun haben wollen. Er muss erfahren, dass Gott es nicht schätzt, wenn man Menschen durch Angstmache, Manipulation und Wut zu seinem Sohn führt. Er soll einen liebevollen, gütigen Gott predigen, einen Gott der Vergebung. Er soll den Menschen helfen, ein christlicheres Leben zu führen, ein edelmütiges, liebendes Leben, anstatt zu erzählen, wir würden alle in der Hölle schmoren, wenn wir nicht genauso denken würden wie er.«
»Was sagte er dazu?«
»Nichts. Als ich fertig war, ist ihm nichts mehr eingefallen. Es hat mit Sicherheit noch niemand so mit ihm gesprochen, auch ich nicht, aus Respekt vor seiner Position als Laras Vater, aber jetzt konnte ich es mir nicht mehr verkneifen. Dieser Mann ist ein hasserfülltes, besessenes, krankes Arschloch.«
»Also hast du einfach aufgelegt?«, wollte Tante Lydia wissen.
»Ich habe aufgelegt, nachdem ich ihm gesagt hatte, dass ich es für eine Sünde hielte, den Kontakt zum eigenen Sohn abzubrechen, nur weil er schwul sei. Der Hass und die Abscheu, mit denen er seinen Sohn behandeln würde, wären das genaue Gegenteil von dem, wie Jesus Christus mit ihm umgegangen wäre. Dass sein Sohn genauso wenig gegen seine Homosexualität tun könne wie ich gegen die Liebe zu seiner Tochter. Dass sein Sohn einer der nettesten Menschen sei, die ich kenne.« Jerry stand auf und lief mit gerötetem Gesicht auf und ab. »Wusstet ihr, dass Laras Bruder und sein Freund jedes Jahr eine Riesenladung Spielzeug an die Kinderkrankenhäuser von New York schicken? Jedenfalls habe ich ihm gesagt, dass sein Sohn weitaus christlicher leben würde als er und er sich seinen
selbstgerechten Zorn in den Arsch schieben könne, weil ich nie wieder von ihm hören wolle.«
»Und dann?«, fragte Stash.
»Habe ich aufgelegt.«
Eine geschlagene Minute herrschte Schweigen. Dann nickte Lydia, hob die Hände und begann zu klatschen. Ich fiel ein. Stash ebenfalls.
»Du hast deine Rolle als wahrer Mann angenommen, Jerry. Du hast deine Rechte als Mann erkannt und diesem Dummkopf deutlich gesagt, was du von ihm hältst. Gut gemacht, junger Mann, sehr gut.«
Jerry schüttelte den Kopf. »Das hätte ich schon längst tun müssen, ich hätte früher etwas unternehmen müssen, und ich werfe mir vor, dass dieser Mann Lara so viel Schmerzen zufügen konnte. Ich mache mir Vorwürfe, dass ich meine Frau nicht beschützt habe. Ich mache mir Vorwürfe, nichts getan zu haben, als ich merkte, dass Lara nicht glücklich war. Sie wollte mir den Grund nicht nennen, aber ich hätte nicht lockerlassen dürfen. Ich war zu sehr beschäftigt, um mir meine Frau gründlich anzusehen. Ich hatte zu viel Angst davor, was ich herausfinden würde.«
Er hielt inne und betrachtete das Gemälde von Stash und Tante Lydia.
»Ich mache mir Vorwürfe, dass ich sie nicht sie selbst habe sein lassen.«
Es herrschte tiefes Schweigen am Tisch. Jerry ließ sich in seinen Sessel zurücksinken. »Und, was machen wir jetzt?«
Stash beugte sich zu ihm vor. »Mein Junge, fahr zu ihr! Fahr zu Lara nach New York. Sag ihr, dass du sie liebst. Erzähl ihr, was du uns gesagt hast. Und stell dich darauf ein, dein Leben zu ändern, wenn es sein muss, um mit ihr zusammen sein zu können.«
»Stash, sie geht ja nicht mal ans Telefon, wenn ich anrufe.« Jerrys Stimme kam aus tiefster, verzweifelter Seele. »Ich habe
Nachrichten bei ihrem Bruder und bei seinem Freund für sie hinterlassen, Nachrichten auf ihrem Handy, aber nichts passiert. Sie hat nur zurückgerufen, als ich angekündigt habe, nach New York zu kommen. Sie sagte, ich sei in New York nicht willkommen, sie bräuchte Abstand zu mir. Ich habe gebettelt, ich habe gefleht, ich habe ihr angeboten, aus dem Kirchendienst auszutreten, mit ihr fortzuziehen und unser Leben komplett zu ändern, damit sie malen kann, und ich mir eine andere Arbeit suche, aber sie will nichts davon hören. Einmal habe ich mit David, dem Freund ihres Bruders, gesprochen, und
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