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Spiel mir das Lied vom Glück

Spiel mir das Lied vom Glück

Titel: Spiel mir das Lied vom Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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berührte. Ein Kuss war zu persönlich, zu intim. Der Einzige, der mich auf den Mund küssen durfte, war Dean Garrett. Sonst niemand. Nur Dean Garrett.
    Ich schrie. Schrie vor Angst und überwältigender Verzweiflung. Ich wusste, dass niemand in der Nähe war. Trotzdem schrie ich. Robert versuchte, mir den Mund zuzuhalten. Ich biss ihm in die Hand. Da schlug er mir mit der Faust ins Gesicht.
    Und gerade als alles schwarz werden wollte, als ich Angst bekam, ich würde ohnmächtig werden und entweder tot im Himmel oder nackt und verprügelt auf Erden erwachen, sah ich Caroline über mir stehen. Vor Überraschung erstarb der Schrei in meinem Hals, als sie die Hände über den Kopf hob und mit voller Wucht etwas auf Robert hinabsausen ließ. Robert brach auf mir zusammen. Das Letzte, an das ich mich erinnern konnte, waren Carolines tiefe grüne Pupillen. Ich merkte noch, dass keines ihrer Augen zuckte.
    Dann versank ich in Ohnmacht.
    Was sollte ich auch sonst tun?
     
    Ich war nicht lange bewusstlos. Als ich die Augen wieder aufschlug, merkte ich, dass Caroline mich an den Füßen aus der Scheune zog. Mein Hemd war voller Heu. Ich wollte weiterschlafen, weil mein ganzer Körper wehtat, aber sie sah meine geöffneten Augen und beugte sich mit panischem blassem Gesicht über mich.
    »Hilf mir, Julia!«, bat sie mich keuchend und schwitzend. »Hilf mir, dass wir dich hier rausbekommen! Ich hab dem Schwein mit dem Spaten eins übergezogen, aber er kommt bestimmt jeden Moment zu sich, Julia. Also bitte! Steh auf, meine Süße, wir müssen dich ins Krankenhaus bringen und die Polizei rufen.«
    Sie zerrte an meinen Schultern. Ich weiß noch, dass ich dachte, was für eine tolle Freundin Caroline war. Sie wirkte so besorgt, dass ich ihrer Bitte nachkommen wollte. Auf der Stelle. Doch als ich aufstehen wollte, fiel ich wieder hin, weil sich mein Bein anfühlte, als sei es entzweigeschlagen worden, weil sich mein Kopf drehte wie ein Kreisel, weil ich Kopfschmerzen hatte, als stecke mir ein Eispickel im Schädel, weil ich wie wund zwischen den Beinen war. Caroline zog mich wieder hoch.
    Als ich schließlich unsicher auf den Füßen stand, nahm ich allen Mut zusammen und sah mich zur Scheune um. Robert lag auf dem Boden, aber er bewegte schon den Kopf, wie ein zorniger Bulle, der langsam erwachte. Das ließ mich schlagartig aktiv werden.
    Auf Caroline gestützt, humpelte ich nach draußen. Das wurde dadurch erschwert, dass ich nur mit einem Auge sehen konnte. Ich nahm an, dass andere sei zugeschwollen, wollte aber nicht länger drüber nachdenken. Caroline schob mich in ihren Wagen und schlug die Tür zu.
    Sobald sie am Steuer saß, verriegelte sie die Türen. Dann gab sie Gas. Mit dem Handy rief sie Polizei und Krankenwagen.
    Wir trafen den Krankenwagen vor dem Gemischtwarenhandel. Natürlich waren schon viele Menschen zusammengekommen.
    Mein Körper pochte vor Schmerz. Alles war verschwommen, aber nicht verschwommen genug, um zu übersehen, wie die Leute mich auf Carolines Beifahrersitz starr vor Schreck und Entsetzen musterten. Ich versuchte, das Hemd zusammenzuhalten. Mehrere Frauen weinten.
    Scramblers Gesicht erschien vor mir, konzentriert und wütend.
    »Der Herr, der das gemacht hat, ist bei Lydia?«, fragte er Caroline mit wohlmodulierter Stimme, fast schon melodiös.
    Sie nickte. »In der Scheune.«
    »Dann wollen wir dem Herrn in der Scheune mal einen Besuch abstatten, was?«, sagte Scrambler zu den beiden Rancharbeitern, die bei ihm waren.
    Die Sanitäter warfen einen Blick auf mich und holten schnell eine Trage. Wenige Sekunden später fuhren Caroline und ich in rasender Geschwindigkeit im Krankenwagen Richtung Klinik.
    Da ich mich im Krankenwagen sicher fühlte, fand ich, ich dürfte jetzt ruhig mal ohnmächtig werden.
    Und genau das tat ich.
     
    Als ich erwachte, war ich von vielen Ärzten und Krankenschwestern umgeben, die mich betrachteten wie eine wissenschaftlich faszinierende Gewebeprobe in einer Petrischale. Schläuche traten aus meinem Arm, ich hatte eine Sauerstoffmaske auf dem Gesicht. Ich glaube, ich hatte auch eine in der Scheide, aber das wollte ich auf keinen Fall überprüfen. Schmerzen zuckten durch meinen Kopf, mein Schienbein und meine Brust.
    Und dann schlug die Angstkrankheit zu. Mein Herz begann zu rasen wie im Endspurt. Ich bekam keine Luft mehr, mir wurde eiskalt.
    Die Ärzte und Krankenschwestern wurden hektisch. Ich stellte mich auf meinen unmittelbar bevorstehenden Tod ein, als ich eine

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