Spiel mit dem Feuer

dem Film. Soll ich
ihn den Cops geben?« Normalerweise wäre das das korrekte Verfahren gewesen,
aber wenn die Polizei das Material erst mal hatte, würde ich es nie zu Gesicht
kriegen. Ich hatte das Geschehen selbst nicht miterlebt, aber vielleicht war ja
irgendetwas auf dem Film, woraus ich entnehmen konnte, was Celia Wellbright zu
diesem fatalen Schritt getrieben hatte. »Wo lassen Sie die Filme entwickeln?«
    »Sie gehen über Nacht in ein Labor in
Honolulu. Die entwickeln sie, übertragen das Negativ auf ein Band, das am
Avid-Computer digitalisiert werden kann, und machen gleichzeitig eine Kopie,
die sich auf jedem Videogerät abspielen lässt. Wir haben das Material am
nächsten Nachmittag wieder.«
    »Könnten Sie einfach so verfahren wie
sonst auch, aber das Labor bitten, die Sache zu beschleunigen und das Material
schon morgen Vormittag ins Malihini House zu liefern?«
    »Mach ich.« Sie sah sich deprimiert um.
»Was glauben Sie, was jetzt aus dem Projekt wird?«
    »Spontan würde ich sagen, wir sind alle
unseren Job los.«
     

18
Uhr 57
    Der Polizeihubschrauber war gestartet,
und Tanner hatte alle außer Hy und mir ausgeflogen. Die Bewölkung hatte sich
verzogen, und die Sonne sank langsam in Richtung Horizont. Ich scharrte mit den
Füßen in dem Geröll bei dem Heiau herum und berührte eine der glatten
Steinplatten mit der Hand.
    »Herrgott, McCone«, sagte Hy, »das
ergibt für mich einfach keinen Sinn!«
    Ich hatte ihm gerade erzählt, warum ich
die ganze Nacht weggeblieben war. »Für mich auch nicht.«
    »Jemand, der dir mitten in den
Zuckerrohrfeldern den Wagen lahm legt, militante Hawaiianer, eine Gestalt, die
ins Meer geworfen wird. Und dann stürzt sich auch noch die Grande Dame des
Wellbright-Clans von den Klippen.«
    »Klingt wie eine Folge von Akte X ,
was?«
    »Schlimmer.« Er schien gar nicht
belustigt. »Langsam denke ich, wären wir doch nur in San Francisco geblieben.«
    »Hm.« Ja und nein. Diese Inseln hatten
einen Reiz, den ich bei früheren Aufenthalten so nicht wahrgenommen hatte,
etwas Betörendes, wie Schwingungen von etwas Gefährlichem, das unmittelbar
unter der friedlichen Oberfläche lauerte. Ich hatte immer schon auf den Sog der
Gefahr reagiert, und jetzt spürte ich ihn auf eine fast erotische Art und
Weise.
    Er sagte: »Als Glenna neulich erzählt
hat, wie das war, unmittelbar bevor dieser Baum sie fast erschlagen hätte — dass
sie da so eine Präsenz zu spüren glaubte — , da habe ich das ihrer
Künstlernatur zugeschrieben. Aber nach dem, was du von Tanner erzählst, haben
wir’s hier mit einem Teufelskerl von Hubschrauberpiloten zu tun, der von
Geistern und Kobolden spricht, als seien sie seine besten Freunde.«
    »Das sind keine Geister und Kobolde,
Ripinsky. Der Mann ist überwiegend Hawaiianer; er spricht von den Mythen seiner
Ahnen, Geschichten aus einer Zeit, lange bevor unsere Ahnen aus ihren Höhlen
gekrochen sind.« Ich versuchte gar nicht erst, meinen Ärger zu verbergen.
    Hy bedachte mich mit einem kühlen,
analytischen Blick. »Sag nicht, du glaubst auch schon an dieses Zeug?«
    »Ich glaube, dass an diesen Geschichten
schon etwas dran sein muß, wenn sie sich so lange gehalten haben. In dieser
Kultur gibt es nun mal so viele Bedeutungsschichten, die für uns nur schwer zu
erschließen sind.«
    »Klingt, als wolltest du sie dir
erschließen.«
    Ich schwieg und beobachtete, wie die
Blätter der Brotfruchtbäume vor dem rotgolden verfärbten Himmel flimmerten.
    »Was ist?«
    »Vielleicht, ja, auf einer gewissen
Ebene.«
    »McCone, ich versteh dich nicht. Du
warst doch immer die rationalste Person, die ich kannte.«
    »Vielleicht ist ja genau das das Problem.
Vielleicht bin ich ja rationaler, als mir gut tut.«
    Er schüttelte den Kopf, musterte mich
immer noch. Ich fühlte, wie sich eine Distanz zwischen uns auftat. Ich verstand
das nicht, und es gefiel mir auch nicht, aber irgendwie konnte ich mich nicht
zu dem Versuch aufraffen, sie zu überbrücken. Nicht jetzt, nicht hier. Ich sah
im Geist einen rotglühenden Vulkankrater. Sah Hy drüben auf der anderen Seite
stehen, etwa so, wie er jetzt auf der anderen Seite des Heiau stand.
Flammen züngelten zum Kraterrand empor, schossen dann in den Himmel, bis ich
ihn nicht mehr sehen konnte.
    »McCone, was ist los?«
    Ich schüttelte den Kopf und drehte mich
um, als ich das ferne Geräusch des Hubschraubers hörte. Sah den roten Vogel
näher kommen und in Landeposition herabschweben.
    Hy beobachtete ihn ebenfalls,